Chelsea Abdullah – Der Sternenstaubdieb  (Buch)

Ein märchenhaftes Abenteuer im magischen Orient

Der Sternenstaubdieb © Hobbit Presse

Zu Beginn der Geschichte in „Der Sternenstaubdieb“ kehren die Mitternachtshändlerin und ihr Begleiter, ein Dschinn, nach Hause in die Stadt Madinne zurück. Loulie al-Nazari und Qadir streifen durch den Orient auf der Suche nach Artefakten, die sie auf dem Markt verkaufen. Händlerin und Dschinn fanden einander, als Loulies Stamm von Räubern überfallen wurde. Seitdem sind sie ein Team auf der Jagd nach magischen Relikten. Und auf der Suche nach den schwarz gekleideten Mördern ihrer Familie.  

Die Geschäfte auf dem geheimen Nachtmarkt laufen wie immer erfreulich. Bis schließlich die Schergen des Sultans in die geheimen Tunnel eindringen und Loulie verschleppen. Der Herrscher über Madinne beauftragt sie, eine magische Lampe zu finden, die angeblich den König der Dschinn beherbergt. Der Sultan beabsichtigt dessen mächtigen Zauber für seine Zwecke zu nutzen. Loulie erwartet bei Erfolg ein reicher Lohn, bei Misserfolg der Tod.

Die Händlerin lernte Mazen bereits kennen, den jüngeren Sohn des Sultans, der gern inkognito in der Stadt den Geschichtenerzählenden lauscht. Sie half dabei, den Prinzen aus den Fängen einer Schatten-Dschinn zu retten, Mazen gilt als Feigling und soll nicht an der Suche nach der Lampe teilnehmen. Stattdessen ist der ältere Prinz Omar für den Geleitschutz vorgesehen, ein brutaler Dschinn-Jäger und Anführer der 40 Räuber. Doch der hat andere Pläne und sorgt durch einen magischen Trick dafür, dass doch sein jüngerer Bruder mitkommt. Eine Kämpferin aus Omars Bande soll den ihm zugedachten Job übernehmen und die Gruppe schützen. So ziehen Loulie und Qadir zusammen mit dem getarnten Mazen und Räuberin Aisha los, dem Sandmeer entgegen. Tief versunken in der alten Dschinn-Stadt Dhahab soll die Lampe der Legende nach verborgen liegen, seitdem der erste Sultan sich seines Dschinns entledigte. Eine gefährliche Queste beginnt auf der nichts so ist, wie es erscheint. Und auf der sie der Welt der Dschinn näherkommen, als beabsichtigt.

Sand, Schatten und Gefahren

Die in New York lebende Autorin Chelsea Abdullah stammt aus Kuwait und wuchs mit den Märchen des Orients auf. Dies merkt man ihrem Debut-Roman „Der Sternenstaubdieb“ (Auftakt der Reihe „Sandsea Chronicles“) deutlich an. Außergewöhnlich detailreich, farbig und authentisch werden die Schauplätze des Orients beschrieben. Dazu verströmt beinahe jede Szene eine geheimnis- und gefahrvolle Atmosphäre. Als Leserin glaubt man die Wüste zu riechen, in schweren Düften zu schwelgen, die würzigen und süßen Speisen auf der Zunge zu schmecken. Das Worldbuilding ist der Autorin vorzüglich gelungen und auch die Dschinn-Magie fügt sich wunderbar in die Story-Umgebung und Handlung ein. Magie und Welt sind einfach mal etwas anderes als das, was wir in den meisten Fantasy-Romanen finden.

Entwicklungspotenzial der Charaktere unterschiedlich genutzt

Loulie al-Nazari, Prinz Mazen und Räuberin Aisha erzählen die Abenteuer der Queste jeweils aus ihrer Perspektive. Obwohl Loulie deutlich als Protagonistin im Zentrum der Handlung steht, erfährt sie vergleichsweise wenig Entwicklung. Loulie ist eine clevere, selbstbewusste und mutige Frau, die mit dem Dilemma lebt, dass sie letztendlich doch von Männern abhängig ist. Allein Qadir, der Dschinn, agiert mit ihr auf Augenhöhe. Ihr Verehrer Ahmed lässt hingegen durchblicken, dass sie an seiner Seite als Ehefrau kein eigenes Geschäft führen wird. Dass Loulie eine Sympathieträgerin der Geschichte ist, liegt daran, dass sie zwar dieses Dilemma beklagt, aber dennoch engagiert ihre Ziele verfolgt. Dagegen ist dem jungen Prinz Mazen eine  bedeutende Entwicklung vergönnt, da er seine eigene Art der Courage findet und seine Leidenschaft für Geschichten für die Herausforderungen nutzen kann. Aisha überrascht mit emotionalen Zügen und einem komplexen Hintergrund; zugleich ist sie diejenige, die sich tatsächlich von der Abhängigkeit zu Männern befreien kann. Wenn auch mit magischer Unterstützung.   

Die Queste verrennt sich, das Finale fängt sie wieder ein

Den Storyaufbau in „Der Sternenstaubdieb“ gestaltete Chelsea Abdullah komplex, vielleicht ein wenig zu komplex. Alle Erzählenden wechseln immer wieder zwischen Handlungsgegenwart und Vergangenheit. Loulie erzählt von dem Überfall auf ihre Familie, Mazen vom Tod seiner Mutter und auch Aisha berichtet aus ihrer Zeit als Straßendiebin. In einigen Passagen ist nur an der kursiv gesetzten Schrift erkennbar, dass so ein Zeitsprung stattfindet. Inhaltlich ist dies nicht immer gut herausgearbeitet. Dazu kommen eingeschobene Märchen, die allerdings optisch sehr hübsch hervorgehoben werden: auf mit Ornamenten verzierten Pergamentblättern abgebildet. Sie liefern nicht nur wichtige Informationen für die Handlung, sondern tragen zu einem tieferen Verständnis und zur besonderen Atmosphäre bei. Hier kommt offensichtlich der kulturelle Hintergrund der Autorin zum Tragen, und ihre Liebe zur orientalischen Mythologie.

Chelsea Abdullahs Schreibstil ist lebendig und bildreich, die Dialoge lebensnah und mit Humor ausgeschmückt. Mit einem Augenzwinkern bringt die Autorin nicht nur Reminiszenzen an die Märchen aus „1001 Nacht“, wie „Ali Baba und die vierzig Räuber“ und „Aladin und die Wunderlampe“ ein. Auch mehrere originelle Elemente aus J. K. Rowlings „Harry Potter“ Büchern versteckte sie wie Easter Eggs in ihrer Geschichte. Zum Beispiel schützt Mazen ein Zauber, der dem von Harry Potters magischem Tarnumhang ähnelt. Loulies bodenlose Tasche erinnert an Hermines magische Handtasche. Und wer denkt bei den Dschinn-Relikten nicht an die sieben Horkruxe?

Eine Buchlänge von über 570 Seiten ist ein wenig zu viel des Guten für diesen Serienauftakt. Obschon die einzelnen Stationen der Queste reichlich Handlung und Action bieten, wäre beim Einstieg und in den Passagen mit Imad und den Ghulen weniger mehr gewesen. Die für den Fortgang der Geschichte wichtigen Aspekte hätte man kompakter einbringen können. Das Finale jedoch fängt die etwas ausufernden Erzählstränge wieder ein. Es präsentiert eine coole Auflösung des Mysteriums und einen Ausblick auf eine Fortsetzung in einer gänzlich anderen Welt. Lassen wir uns überraschen, was der zweite Band der „Sandsea Chronicles“ an Welten, Magie, Abenteuer und Reminiszenzen bieten wird.

  • Autorin: Chelsea Abdullah
  • Titel: Der Sternenstaubdieb
  • Teil/Band der Reihe: The Sandsea Chronicles, Band 1 von 3
  • Originaltitel: The Stardust Thief
  • Übersetzer: Urban Hofstetter
  • Verlag: Hobbit Presse
  • Erschienen: 02/2025
  • Einband: Hardcover mit farbigem Buchschnitt
  • Seiten: 576
  • ISBN: 978-3-60896-613‑8
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite beim Verlag

Wertung: 10/15 dpt

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