Simoné Goldschmidt-Lechner – Nerd Girl Magic (Buch)

Nerd Girl Magic! Wenn das nicht mal ein Buchtitel ist, der wie eine Hymne für uns Büchernerds und alle anderen nerdy people klingt, die sich hier auf booknerds.de versammeln?! Schon als der Verbrecherverlag das Buch auf der Buchmesse im Oktober vorstellte, war ich Feuer und Flamme und hab mich umso mehr gefreut, stellvertretend einen Blick reinwerfen zu dürfen.

Simoné Goldschmidt-Lechner ist Autorin, Übersetzerin, Kuratorin, Herausgeberin, interdisziplinäre Künstlerin (so der Wikipedia-Artikel), aber vor allem Vollblut-Nerd. Aufgewachsen ist sie in Südafrika und Deutschland. In “Nerd Girl Magic” greift sie die Potenziale der Nerd-Kultur besonders für queere, nicht-männliche und nicht-weiße Menschen auf – illustriert anhand ihrer eigenen Erfahrungen während ihrer Kindheit, Jugend und auch jetzt.

Obwohl die Autorin einen Doktortitel hat und “Nerd Girl Magic” ein Sachbuch ist, ist es keine allumfassende (und erst recht keine trockene) Abhandlung – es geht um die Fandoms und Communitys, mit der die Autorin in Kontakt gekommen ist, wie sie Zugang zu diesen erlangte, wie sie ihr halfen erwachsen zu werden und was die teilweise inhärenten Probleme sind. Konkret geht es um: Gaming, Sailor Moon, Manga und Animes, Pen and Paper, der Herr der Ringe, Game of Thrones und Harry Potter, Star Wars, Star Trek, Buffy, Fanfiction und Hip Hop. Um Disney, K-Pop, Wrestling, Horror und Dark Academia.

Ich persönlich war immer schon ein Buchnerd, jedoch hab ich diese Nerdiness gut versteckt und besonders in Jugendzeiten war es mir wichtig, eher weniger anzuecken. Meine Nerdiness geschah also im stillen Kämmerlein und auch zu Communitys im Internet hatte ich wenig Zugang. Fankultur war zusätzlich etwas, dem ich allgemein wenig abgewinnen konnte und etwas das ich häufig eher als Konkurrenzkampf wahrgenommen habe: “Du bist nur ein echter Fan wenn du …”. All das sind Dinge, die Goldschmidt-Lechner auch in ihrem Buch beschreibt: Das Gatekeeping vieler Communitys, das es, wenn es um Nerdkultur geht, besonders nicht-männlichen Personen und Menschen mit Migrationshintergrund schwer macht, mitzumachen. Aber auch, die Diskrepanz zwischen der Leidenschaft für bspw. eine Serie, die jeder kennt und die auf dem Schulhof trotzdem als uncool gilt, wenn man diese unironisch schaut.

Gaming, Pen & Paper, Wrestling, K-Pop, Buffy und Horror-Filme sind alles Dinge, zu denen ich bisher nur rudimentär Bezugspunkte hatte und bei denen meine Wahrnehmung vor allem durch Vorurteile geprägt war. Ganz besonders Gaming war für mich lange Zeit ein Sammelbecken für Incels (man möge mich nun bitte nicht lynchen). Goldschmidt-Lechner schafft es aber, selbst so komplexe Spiele wie Pen & Paper (in diesem Fall DSA) so gut zu erklären, dass ich ihr jederzeit folgen konnte und mit meinem D&D-spielenden Partner darüber diskutieren konnte. Sie räumt mit Vorurteilen auf, betrachtet die jeweiligen Szenen aber auch kritisch und zeigt Verbesserungspotentiale und Optimierungsmöglichkeiten auf. Ganz besonders gut gefallen hat mir, dass sie zwar locker und eher erzählend schreibt, dabei aber nie polemisch wird und die Zusammenhänge sehr differenziert betrachtet. Ja, der Herr der Ringe ist rassistisch, du darfst es aber trotzdem lieben! Nein, die Serie mit diversem Cast war diesbezüglich nicht wirklich eine Verbesserung – für eine ausführlichere Argumentation dazu bitte “Nerd Girl Magic” lesen.

Ein bis zwei kleinere Kritikpunkte habe ich dennoch, die sich aber vielleicht auch daraus ergeben, dass Bücher und die Buchblogger-Bubble eben meine nerdy community ist. So nennt sie z. B. das Grishaverse von Leigh Bardugo als gute Alternative zu Harry Potter, übersieht dabei jedoch, dass zumindest die Grisha-Trilogie auch wegen rassistischer Stereotype in der Kritik steht. Und auch bzgl. der von ihr beschriebenen Fanfiction, die von Frauen geschrieben wird und Liebesbeziehungen zwischen Cis-Männern fetischisiert, ist sie mir zu unkritisch.

Goldschmidt-Lechner verwendet in ihrem Buch einige Begriffe, die voraussetzen, dass man sich zumindest ein wenig im antirassistischen und feministischen Diskurs auskennt. Manche davon erklärt sie, manche bleiben einfach so stehen. Wer aber meine Rezension hier verstanden hat, sollte keine Schwierigkeiten mit dem Buch bekommen.

Wer sich auch nur minimal für die oben genannten Nerdkulturen interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen! Aber auch Lesenden, die sich in einer dieser Communitys zu Hause fühlen, kann ich es nur wärmstens empfehlen. Einzige Voraussetzung ist hierbei wohl ein wenig Reflexionsfähigkeit ob anderer Wahrnehmungen auf das geliebte Fandom und die Nostalgie und eventuell auch identitäre Relevanz, die man damit verbindet und was einem auch niemand madig machen möchte.

  • Autor: Simoné Goldschmidt-Lechner
  • Titel: Nerd Girl Magic
  • Verlag: Verbrecher Verlag
  • Erschienen: 2025
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 184
  • ISBN: 978-3-95732-611-9
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 14/15 dpt

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