Es hilft nur Beharrlichkeit

Am 8. Juli 1964 wird im Schleusenbecken von Borenshult bei Baggerarbeiten die Leiche einer jungen Frau gefunden. Sie wurde wenige Tage zuvor erwürgt und sexuell misshandelt. Kommissar Ahlberg aus Motala, Östergötland, übernimmt den Fall und tritt alsbald auf der Stelle. Es gibt keine Anhaltspunkte zur Identität des Opfers, noch zum eigentlichen Tatort des Verbrechens. Martin Beck, erfolgreichster Vernehmer der Reichsmordkommission, reist aus Stockholm zur Verstärkung an, doch auch ihm gelingt zunächst kein Fortschritt. Fotos der Toten werden erstellt und weitläufig verteilt, aber erst im Oktober kommt ein vielversprechender Hinweis aus Amerika. Detective Lieutenannt Elmar Kafka vom Homicide Squad in Lincoln, Nebraska, ist sich sicher, dass es sich bei der Toten um die Bibliothekarin Roseanna McGraw handelt. Sie war zur fraglichen Zeit in Europa auf einer Rundreise. Ahlberg findet nach längerer Suche heraus, dass zur fraglichen Zeit das Passagierschiff Diana vor Ort war. Endlich eine Spur und diese führt zu ersten Fortschritten, denn McGraw war tatsächlich an Bord.
Beck und Ahlberg sind sich sicher, dass die Frau in ihrer Kabine misshandelt und anschließend über Bord geworfen wurde. Kämen also 67 Passagiere und 18 Besatzungsmitglieder als Mörder in Frage. Es beginnt eine langwierige Suche, die bald zu Frust bei den Ermittlern führt, die gleichwohl mit großer Beharrlichkeit weiterarbeiten. Man kommt nicht weiter, doch dann eilt der legendäre „Kommissar Zufall“ zur Hilfe.
Auftakt der legendären Martin-Beck-Reihe
„Die Tote im Götakanal“ erschien unter dem Titel „Roseanna“ im Jahr 1965 und bildet den Auftakt der zehnteiligen Martin-Beck-Reihe des Autorenduos Maj Sjöwall (1935-2020) und Per Wahlöö (1926-1975), die für ihre Sozial- und Gesellschaftskritik weltbekannt wurde. Davon ist im Serienauftakt jedoch nur wenig zu spüren. Hier wird der Protagonist Martin Beck eingeführt, dessen Ehe mit seiner namenlosen Frau und ebensolchen Kindern – sagen wir – in einer ersten Krise steckt, weswegen er den Dienst gern als Fluchtmöglichkeit begreift. Zudem ist er auffallend oft gesundheitlich angeschlagen, isst zu wenig, raucht und arbeitet zu viel, was wiederum zu Vorwürfen seiner Frau führt. Mit Vornamen wird übrigens auch bei den Ermittlern sparsam umgegangen; dies nur am Rand.
„Dies ist keine Ermittlung. Das ist ein Ratespiel. Deutet irgendetwas darauf hin, dass der Kerl Schwede ist?“
„Das Moped.“
„Von dem wir nicht wissen, ob es ihm gehört?“
„Ja.“
Die Martin-Beck-Reihe ist unstrittig fester Bestandteil der Geschichte der Kriminalliteratur, zumal die Bücher zahlreiche spätere Autorinnen und Autoren beeinflusst haben. Die Kombination aus Kriminalfall und Sozial- respektive Gesellschaftskritik kannte man so noch nicht, heute ist sie häufig vorzufinden und mitunter die Kritik bestehender Verhältnisse wichtiger als der Plot selbst. Der erste Fall der Serie ist hingegen recht einfach gestrickt. Es geschieht ein Mord, monatelang kommt man nicht von der Stelle, dann der Auftritt vom bereits erwähnten Kommissar Zufall, quasi ein alter Bekannter aus unzähligen früheren und späteren Kriminalromanen, plötzlich ein Verdächtiger, dem Beck eine Falle stellt.
Die Ermittlungen, so enervierend sie stattfinden, werden gelegentlich zu detailliert geschildert, ohne dass es die Handlung vorantreibt. Das Zusammenspiel zwischen den Polizisten aus Stockholm (Beck), Motala (Ahlberg) und Lincoln (Kafka) nebst deren jeweiligen Kollegen ist interessant, vor allem mit Blick auf die damals (noch nicht) zur Verfügung stehende Technik. Da dauerte es gerne mal Tage bis Post aus Übersee eintraf oder Stunden bis zur erfolgreichen Telefonvermittlung. Ein wenig erinnert der Schreibstil an Georges Simenon und dessen Kommissar Maigret. Kaum Privatleben, die Ehefrau stets im Hintergrund und die wichtigste Eigenschaft des Ermittlers besteht aus dessen Zähigkeit und Fähigkeit zur Beobachtung. Abwarten, dass was passiert, ist auch im vorliegenden Fall angesagt.
„Die Tote im Götakanal“ ist noch nicht auf dem Stand der Nachfolgewerke, sondern wie erwähnt der Einstieg und dient primär der Vorstellung von Beck. Richtig einordnen können wird man den Roman nur im Zusammenhang mit dem Gesamtwerk. Zehn Bände, die Kriminalliteraturgeschichte schrieben und 2025 neu als E-Book erschienen sind. Wer die Buchform bevorzugt sollte ebenfalls problemlos fündig werden.
- Autor: Maj Sjöwall, Per Wahlöö
- Titel: Die Tote im Götakanal
- Originaltitel: Roseanna (1965). In neuer Übersetzung von Hedwig M. Binder und mit einem Vorwort von Henning Mankell.
- Verlag: rororo
- Umfang: 272 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Oktober 2008
- ISBN: 978-3-499-24441-4
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Wertung: 11/15 dpt