Roadstory auf dem Fluss

Brigitte Pons lockt in ihrem aktuellen Roman “Flussgefährtinnen” mit einem ungewöhnlichen Setting: Drei Frauen, wie sie auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein können, landen zufällig auf dem Flussfrachter von Schiffahrtskapitänin Hanne. Jede von ihnen hat Gründe an Bord bleiben zu wollen. Also raufen sich die völlig gegensätzlichen Frauen zusammen. Aus der Zufallsbekanntschaft wird Zweckgemeinschaft und schließlich sogar so etwas wie Freundschaft.
Brigitte Pons‘ Roman ist eine Roadstory mit durchaus klassischen Komponenten, aber einem außergewöhnlichem Setting. Handlungsort ist die Jowige, ein Flussfrachter auf seinem Weg den Neckar und Rhein hinunter bis fast an die Nordsee. Mit großer Authentizität und enormer Liebe zum Detail inszeniert die Autorin den ungeschönten Alltag auf dem Binnenschiff.
Der besondere Schauplatz ist für die außergewöhnlich langsame Reisegeschwindigkeit verantwortlich, die sich auch auf die Erzählgeschwindigkeit auswirkt. Beschaulich zieht die Uferlandschaft vorbei. Entschleunigung wird zum Programm. Pons lässt sich viel Zeit, ihre Protagonist:innen vorzustellen. Nur langsam entfalten sich deren Biografien, ebenso wie das Vertrauen der handelnden Figuren untereinander nur sehr behutsam wächst.
Als einen Wohlfühlroman bezeichnet die Autorin selbst ihr jüngstes Buch. Tatsächlich steht das Wohlbefinden ihrer Protagonistinnen im Mittelpunkt. Deren Ausgangssituationen sind jeweils stark belastet. Die Reise wird zur Auszeit, der Abstand zum Alltag wird zum erklärten Ziel, um mit der Distanz eine neue Perspektive einzunehmen.
Pons porträtiert klassische Frauenleben. Die Frauen leiden an den ihnen zugewiesenen Rollen als Mutter, Tochter oder Partnerin. Die von außen an sie herangetragenen Erwartungen haben sie ausgehöhlt und den eigenen inneren Kompass verlieren lassen. Katrin fühlt sich als vierfache Mutter auf dem Dorf völlig abgehängt vom Leben. Geschäftsfrau Astrid hat sich nach jahrelanger Fürsorge für die Eltern selbst völlig isoliert. Die sprunghaft wirkende Jessie definiert sich ausschließlich über ihre jeweilige Beziehung, ohne zu wissen, was sie selbst eigentlich will. Und auch Schiffsführerin Hanne trägt ein belastendes Trauma mit sich herum, das ihr Privatleben dominiert.
Männer finden in dieser Story nur am Rande statt. Komplexe Geschlechterkonflikte spart Pons ebenso aus wie konkrete strukturelle Kritik. Die Frauen bekommen ihre Probleme selbst bzw. durch gegenseitige Unterstützung in den Griff. Pons Botschaft liegt in der Idee weiblicher Solidarität, aus der heraus Kraft und Mut generiert werden können, um Lebenskrisen zu überstehen.
Das Ausgangsszenario wirkt insgesamt ziemlich konstruiert und das super-harmonische Ende überrascht nicht wirklich. Dafür punktet der Roman vor allem durch seine Figuren. Pons‘ Stärke liegt in der Darstellung authentischer Charaktere. Geschickt vermeidet sie Geschlechter-Klischees und romantisierte Rollenbilder. Pons bietet typisch weiblichen Themen eine lebendige Bühne, ebenso wie sie die Sehnsucht nach Lösungen ernst nimmt. Der Bezeichnung „Wohlführoman“ wird ihrem Buch also durchaus gerecht. Eine Geschichte, die ihre Leser:innen einlädt, eine idealisierte Version des Alltags zu betrachten.
- Autorin: Brigitte Pons
- Titel: Flussgefährtinnen
- Verlag: Lübbe Verlag
- Erschienen: Februar 2025
- Einband: Broschierte Ausgabe
- Seiten: 368 Seiten
- ISBN: 978-3757700904

Wertung: 10/15 dpt