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“Weekend Trip”, den abwegigen deutschen Untertitel “Schrei der Verdammten” lassen wir gnädig weg, im Original treffender “Feed” betitelt, beginnt mit einem solchen. Eine junge Frau filmt sich, während sie vor etwas oder jemand durch einen Wald flieht. Ihre letzten, an die Mutter gerichteten Worte, gehen in Schlägen und erstickten Schreien unter.
Schnitt auf eine mediale Verwertungskette, die den Mord an einer Influencerin mit Genuss lautstark betrauert, führt dazu, dass in im serbischen Unterholz eine Menge neugieriger Follower auf Geisterjagd gehen. Denn es gibt einen lokalen Mythos, der Schuld an der letalen Misere der Ermordeten haben soll. Ein Touristenboom setzt ein.
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Damit ist der verwegenste Move des gesamten Films bereits offenbart. Der Prolog nimmt nämlich die kommende Geschichte in knapp drei Minuten vorweg und ist zugleich eine kleine Hommage an die “Blair Witch” und ihr Projekt.
Glücklicherweise läuft “Weekend Trip” nicht als abgegriffenes Found-Footage-Flic weiter. Im Gegenteil, es gibt gepflegte Bilder einer schwedischen Idylle, die erst von einer Bande nassforscher Influencer und später von gewalthaltigen Aktivitäten heimgesucht wird.
Serbien wurde verlassen, wir befinden uns in einem schwedischen, auf einer Insel gelegenen, einsamen Campingressort, dass von den jungen Social-Mediaschaffenden ins Rampenlicht gehoben werden soll.
Wie schön, dass es eine lokale Legende von einer jungen Frau gibt, die von einem Lynchmob als Hexe gebrandmarkt, vor Jahrhunderten im See versenkt wurde. Stilgerecht ausstaffiert mit einer schrecklichen Maske. Eisen, nicht Eishockey, ihr Schlaufüchse.
Angeblich rumort ihr rachsüchtiger Geist immer noch herum, weswegen die Betreiber des Ressorts eine Warnung vorm Baden im See aussprechen.
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Die unsere fidelen Racker nicht beherzigen werden. Es kommt, wie es immer in solchen Slashern kommt, die oberflächlich befreundete, sich insgeheim aber befehdende Clique wird abzählreimmäßig dezimiert. Als halbwegs sympathischer Anker im Wust garstiger Selbstdarsteller bietet sich die Medizinstudentin Elin an, die immerhin über ein Mindestmaß an Empathie verfügt und gelegentlich einen Hauch Ratio durchschimmern lässt. Wenn sie sich nicht launischen Panikattacken überlässt. Die restlichen Beteiligten sind Kanonenfutter oder klickzahlengeile Hampelmänner und -frauen, denen man eh alles Übel des metzelnden Gewerbes an den Hals wünscht.
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So entwickelt sich der “Weekend-Trip” zu einem Ausflug voller kleiner Fluchten, Schreien, Flüstern und Sterben, gerne im wenig zu Erkennen gebenden Nachtmodus. Hier passiert wenig Unerwartetes. Die Nebenfiguren treten in erwartbarer Reihenfolge ab, die Jump-Scares kündigen sich zeitnah an, und die Auflösung hat der Einstieg ins Werk schon vorweggenommen. Lediglich der Umgang mit einem malträtierten Opfer, das zu einer Art zweitem Final Girl wird, und ein kleiner Plottwist nach dem finalen Showdown überraschen dezent.
“Weekend Trip” lässt sich Zeit, seine Horrorgeschichte zu entwickeln, hat währenddessen ein paar stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen zu bieten, während die Handlung darunter leidet, dass die kapriziösen Charaktere so interessant sind wie Weizenkleie, bloß aufgedrehter. Besonders gut darin, laut zu sein und wenig nachvollziehbar zu handeln. Das färbt auch auf die Protagonistin Elin ab, die insgesamt dank ihrer Bodenhaftung weit weniger nervt als das andere Gelump und die Mythenbildung um Hexenspuk und Geisterrache hinterfragt. Während die modernen Medienmenschen umgehend zu Jüngern der Twilight Zone werden.
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Abgehandelt werden die üblichen Stereotypen der oberflächlichen Tik Tok-Exhibitionsten, die für Klicks und sabbernde Follower über Leichen gehen. Das Karma wird es richten. Und falls nicht, hilft die vom Drehbuch ausgegebene Tumbheit weiter. Denn immer, wenn unsere echauffierte Opferschar nur einen Hauch Aktivität zeigt, sich geradezu scheunentorgroße Möglichkeiten bieten vom Gejagten zum Jäger zu werden, setzt eine seltsame Katatonie ein, die unweigerlich mit dem Ableben endet.
Das wird stellenweise ein bisschen drastisch dargestellt, besonders eine improvisierte Amputation ist für das sensible Publikum schmerzhaft, aber leidet an einer unübersichtlichen, völlig zerschnittenen (von Regisseur und Cutter, nicht Zensor) Kameraführung. Wenn es nicht gerade viel zu dunkel ist, um überhaupt etwas zu Gesicht zu bekommen.
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Was vom Tage und der darauffolgenden Nacht übrigblieb: Ein leidlich unterhaltsamer Slasher, der seine wenigen, eigenen Ideen allzu schnell und unterschnittig aufbraucht, der neben wenigen sehenswerten Sequenzen zu viel Finsternis und konfuse Schnitttechnik aufweist. Die Darsteller*innen sind so unsympathisch wie es ihre Figuren verlangen. Deshalb ist das angemessen gespielt, man möchte mit diesen Individuen aber eigentlich keine Zeit verbringen. Und sei es vor dem Bildschirm.
Bleibt als interessantester Punkt, dass auch in Schweden Slasher hergestellt werden. Dass es erheblich besser geht, haben die finnischen Nachbarn vor knapp zehn Jahren allerdings mit “Lake Bodom” vorgeführt und auch in Schweden selbst spielt das launige “Konferensen” in einer anderen Liga. Mag damit zusammenhängen, dass dort nicht frenetisch Richtung Camp Crystal gelugt wird.
Angeblich war der Wochenendtrip so erfolgreich daheim, dass ein zweiter Teil im Bereich des Möglichen ist. Sehen wir es positiv: Ansätze zu einem spannenden, gruseligen Film sind vorhanden. Er müsste in der Folge nur gedreht werden.
Cover+ Bilder © Plaion Pictures
Titel: Weekend Trip – Der Schrei der Verdammten
Originaltitel: Feed
Produktionsland und -jahr: Schweden, 2022
Genre: Horror, Slasher, Hexenwerk, Medienkritik
Erschienen: 30.01.2025
Label: Plaion Pictures
Spielzeit:
104 Minuten auf 1 Blu-Ray
Darsteller: Molly Nutley
Sofia Kappel
Vincent Grahl
Joel Lützow
Emelina Rosenstielke
Amanda Lindh
Michael Odhag
Annica Liljeblad
Emma Suki
Bella Klaus
Regie: Johannes Persson
Drehbuch: Paolo Vacirca, Henry Stenberg, Filip Hammarström
Kamera: Hanna Kriisa
Schnitt: Mattias Håkansson, Johan Serrander
Musik: Oscar Fogelström
Extras: Trailer
Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1920x1080p (2.39:1) @23,976 Hz
Sprachen/Ton: Deutsch, Schwedisch DTS-HD MA 5.1
Untertitel: Deutsch
FSK: 16
Sonstige Informationen:
Produktseite
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Wertung: 7/15 dpt