Das Debüt “Das Schicksal der Fluchträger” von Philipp C. Niklas aus dem Selbstverlag verspricht episch-düstere High Fantasy à la George R. R. Martin, kombiniert mit Studio Ghibli, und klang für mich nicht nur auf Grund dieser ungewöhnlichen Mischung sehr interessant, sondern auch weil die epischen High Fantasy Reihen ohne romantischen Hauptplot auf dem Buchmarkt (leider) immer weniger werden.
Der Klappentext kurz zusammengefasst: Das Jahr 1877 n. L. in Errion, die westlichen Küstenlande des Heiligen Einigen Reiches von Líohim. Die Freunde Fionn und Kellen finden zufällig ein antik anmutendes schwarzes Schwert. Fionn fühlt sich davon unwiderstehlich angezogen, und als er es berührt durchfahren ihn furchtbare Visionen. Das Berühren des Schwertes bleibt nicht ohne Folgen und Fionn und Kellen werden bald schon von dunklen Mächten verfolgt, die darauf zielen, die gesamte Menschheit zu vernichten.
Die Handlung auf dem Klappentext klingt nach einem typischen Fantasy-Plot und hebt sich somit nicht unbedingt von anderen Büchern des Genres ab. Für mich nicht weiter schlimm, denn das Rad im fantastischen Bereich völlig neu zu erfinden wird wohl kaum möglich sein, und eine Geschichte lebt von mehr als nur der Rahmenhandlung.
Leider fehlte mir dieses “mehr” in der Geschichte an vielen Stellen, und obwohl es mit der zarten queeren Liebesgeschichte zwischen Fionn und Kellen und der Vermischung von mittelalterlichem Setting und Steampunk anmutenden Elementen durchaus progressive Ansätze hat, bleibt es an anderen Stellen sehr genretreu. Was grundsätzlich kein Nachteil sein soll, ich hatte ja auch High Fantasy erwartet. Jedoch wartet dieses Genre auch mit einigen Klischees auf, die es, meiner Meinung nach, in einem Buch, das 2024 erschienen ist, einfach nicht mehr braucht.
Das Buch beginnt, ganz klassisch, mit einem Prolog, der direkt zur Sache kommt. Die Sprache ist mittelalterlich angelehnt und wirkt authentisch. Das Worldbuilding ist unfassbar komplex, wobei der sechsunddreißig Seiten lange Anhang inklusive Glossar und die Karte in der Klappbroschüre eine gute Unterstützung bieten – Hin- und Herblättern ist hierbei unvermeidlich. Mit den verschiedenen und wechselnden Perspektiven bietet sich den Lesenden eine gute Übersicht über die Geschehnisse in dieser riesigen Welt, auch wenn zum Ende des ersten Bandes noch nicht ganz deutlich ist, wie bspw. Sams Schicksal mit dem der anderen zusammenhängt, was ich aber bei einer mehrbändigen Reihe nicht kritisch sehe. Diese Aspekte haben mir insgesamt gut gefallen.
Auch genretypisch und leider auch hier vorhanden: Es gibt im gesamten Buch, unter den unfassbar vielen Figuren, genau drei weibliche Figuren, die eine Rolle spielen – wovon sich eine als Mann ausgibt, eine ein kleines Kind ist und die andere nur nebensächlich vorkommt. Noch nicht einmal unter den Bediensteten gab es Frauen.
Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist das unfassbar langsame Pacing und die mangelnde Charakterentwicklung. Grundsätzlich komme ich mit Geschichten, die nur langsam an Fahrt aufnehmen, und Charakteren, deren Entwicklung Zeit braucht, gut zurecht. In diesem Fall haben wir jedoch unendlich viel Introspektion von Fionn, die sich nur darauf beläuft, dass er so furchtbar leidet und sich nicht traut das Kellen zu sagen und wir haben Kellen, der darüber sauer ist und sich stellenweise als echt toxisches Arsch (Pardon) entpuppt. Viel mehr passiert bei den beiden Hauptcharakteren nicht, und das ist mir auf fast fünfhundert Seiten dann doch zu wenig.
Die viele Introspektion dieser beiden und auch in den anderen Perspektiven sorgt auch dafür, dass enorm viel tell und wenig show vorhanden ist. Ich bin niemand, der auf die Einhaltung von Schreibregeln besonders viel Wert legt, hier ist es mir aber leider (negativ) aufgefallen. Ich vermute, ich weiß wo es sich hin entwickeln soll, nämlich zu weniger toxischer Maskulinität seitens Kellen und einem Fionn, der für sich einsteht. Um das deutlich zu machen, hätte es aber nicht ganz so viele Seiten gebraucht.
Auch bei der Figur der Sam gab es für mich leider ein paar Ungereimtheiten. Auf mich wirkte ihr Schicksal ein wenig konstruiert bzw. ich habe nicht verstanden, warum es für sie überhaupt die Notwendigkeit gab, Arbeit in den Minen zu suchen, wenn sie ihre Familie auch anders hätte unterstützen können.
Die Handlung war ansonsten leider recht vorhersehbar und bot für mich persönlich kaum Überraschungen.
Für viele ist dieser Kritikpunkt eventuell kleinlich, aber mir hat die übermäßige und ungewöhnlich häufige Verwendung von Ausrufezeichen nicht gefallen. Diese wurden nicht nur bei Ausrufen der Figuren gesetzt, sondern auch, um einer Aussage in der wörtlichen Rede mehr Ausdruck zu verleihen, was die vorlesende Stimme in meinem Kopf nahezu heiser gemacht hat. 🙂 Dazu kam Umgangssprache, die aber je nach Charakter nicht konsequent durchgezogen wurde und für mich so nur wenig Sinn ergab.
Alles in allem ist “Das Schicksal der Fluchträger” ein epischer High-Fantasy-Reihenauftakt, der noch einiges an Entwicklung verspricht und mit dem Fans des Genres sicher Freude haben können. Für mich persönlich hob er sich jedoch zu wenig von anderen Werken auf dem Markt ab und bot mir so zu wenige Anreize, um weiter zu lesen.
- Autor: Philipp C. Niklas
- Titel: Das Schicksal der Fluchträger. Träume und Erinnerungen
- Teil/Band der Reihe: 1/?
- Verlag: NovaMD
- Erschienen: 06/2024
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 507
- ISBN: 978-3-98942-372-5
- Sonstige Informationen:
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 6/15 dpt