Igor Beltrami – Gnadenlos (Buch)


“Gnadenlos” bietet Mordermittlung mit Schwächen

Der erfolgreiche Bauunternehmer Kai Bernauer wird in seinem Büro erschossen. Sechs Kugeln aus nächster Nähe zeugen davon, dass er den Täter kannte und dieser im Affekt handelte. Jan Pratt, Leiter der Ermittlungsabteilung für Gewaltkriminalität der Kantonspolizei Zürich, übernimmt mit seiner Partnerin Valérie Jossen den Fall. Lange Zeit treten sie auf der Stelle, doch dann erfährt Jan eher zufällig von seinem Vater, dass der Vater des Ermordeten, Theodor Bernauer, vor über vierzig Jahren vor Gericht stand, da er für einen tödlichen Arbeitsunfall eines Mitarbeiters verantwortlich gemacht wurde. Zwei Arbeiter sagten gegen ihn aus, doch schnell zogen sie ihre Aussagen zurück und verließen die Schweiz.

Der damals bei dem Unfall getötete Arbeiter war Martin Bühler, seines Zeichens Vater von Nico, Jans ehemals bester Schulfreund, den er schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen hat. Nicos Freundin gibt ihm ein Alibi, welches sie kurz darauf widerruft, so dass Jans übereifriger und verhasster Kollege Bernd Haase kurzerhand Nico wegen Mordverdachts festnimmt. Die Indizien scheinen eindeutig, aber Jan fühlt sich seinem Freund verpflichtet und ermittelt weiter.

„Das darf doch nicht wahr sein.“

Igor Beltrami hat mit „Gnadenlos“ einen Krimi vorgelegt, der sich aufgrund seiner Gradlinigkeit gut für Lesesituationen eignet, in denen man möglicherweise nicht voll konzentriert sein kann, beispielsweise auf der Bahnfahrt zur Arbeit, wo sich andere Fahrgäste unterhalten. Es handelt sich schon deswegen um leichte Kost, da die Anzahl der mitwirkenden Figuren überschaubar bleibt und die Ereignisse nahtlos ineinander übergehen. Sie ereignen sich halt, der Zufall ist ab und an zur Stelle. Wie im echten Leben, möchte man meinen. Soweit so gut, wobei es auf der Zielgeraden durchaus noch zu einigen Wendungen kommt. Thematisch geht es im weiteren Verlauf um Geldwäsche des Bauunternehmers, der noch dazu in Beziehungen zur Mafia verstrickt ist. Ersteres wird ein wenig beleuchtet, Zweiteres nur angerissen, wenngleich Jan extra deswegen nach Italien fliegt. Es bleibt ein wenig oberflächlich, aber es sollte halt kein Mafiaroman werden.

„Das darf doch nicht wahr sein“, werden Sie jetzt womöglich denken und damit kommen wir zum eigentlichen Schwachpunkt des Romans, denn es darf in der Tat nicht wahr sein, wie oft dieser Satz mit minimalen Veränderungen zu lesen ist. Eine kleine Auswahl: „Das darf doch nicht wahr sein“ (Seite 149), „Das konnte doch nicht wahr sein“ (Seite 150) und „Das kann doch nicht dein Ernst sein“ (Seite 155). Leider doch. Im Ranking der inflationär oft fallenden Sätze folgt auf Platz zwei „… das kannst du mir glauben“ (Seite 279) oder „… das könnt ihr mir glauben“ (Seite 281).

Würde das zuvor geschilderte sprachliche Grausen bewältigt, würde man womöglich Jan Pratt und Valérie Jossen in einem weiteren Fall erneut folgen wollen. Jan ist zwar alles andere als sympathisch, was sich nicht zuletzt in seinem Verhalten gegenüber seiner Familie und mitunter auch den Kollegen zeigt, dementgegen hat die Figur der Valérie erhebliches Entwicklungspotential. Einst beim FBI ausgebildet kehrte sie in die Schweiz zurück, nachdem sie einem Serienmörder zum Opfer fiel. Wie sie diesem entkommen konnte, wäre nicht uninteressant zu erfahren und womöglich ist dieser ja schon auf der Suche nach ihr. Gleiches gilt für das künftige Verhältnis zwischen Jan und Bernd Haase; hierzu gibt es einen durchaus gelungenen Cliffhanger.

  • Autor: Igor Beltrami
  • Titel: Gnadenlos
  • Verlag: Zytglogge
  • Umfang: 328 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Oktober 2024
  • ISBN: 978-3-7296-5162-3
  • Produktseite  

Wertung: 9/15 dpt

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