Alexander Pechmann – Die Insel des kleinen Gottes (Buch)


Geistergeschichten, Seemansgarn und das Meer an sich haben es mir insgesamt angetan. Wenn sie dann auch noch als Neuinterpretation von tatsächlichem historischen Stoff daherkommen, ist meine Leseentscheidung sehr schnell gefällt. In dem Fall wurde ich von Alexander Pechmann auch absolut nicht enttäuscht. 

Basierend auf dem historischen Schiffsunglück der “Princess Augusta” 1738 vor Rhode Island spinnt Pechmann eine mystische Geschichte, bei der einem bis zum Schluss nicht ganz klar ist, was nun die Schuld übersinnlicher Kräfte war und was sich logisch erklären lässt. 

Der Protagonist David Van Roon arbeitet als Landvermesser auf Rhode Island, als die “Princess Augusta” dort eines Nachts havariert, in Flammen aufgeht und der Großteil der Passagiere sterben. Van Roon hatte mit ein paar wenigen anderen versucht, die Besatzung zu retten, konnte aber nicht mehr ausrichten und wird in der Folge von Albträumen und Schuldgefühlen geplagt. Als in Zeitungen immer wieder darüber zu lesen ist, dass die “Princess Augusta” als brennendes Geisterschiff vor Rhode Island auftauche, kehrt er auf die Insel zurück, um dem was damals geschah ein für alle Mal auf den Grund zu gehen. Er befragt die einzigen erwachsenen Überlebenden, was ihn aber letztendlich noch mehr verwirrt. Wie viel Schuld er tatsächlich trägt, wird ihm erst klar, als er das Geisterschiff mit eigenen Augen sieht … 

Pechmanns Sprachstil hat mich sofort an die Geschichte gefesselt. Stilistisch der Zeit, in der die Geschichte spielt, angemessen, aber nicht gestelzt oder zu trocken, steigt man lebhaft in die damaligen Geschehnisse ein und lernt den Protagonisten gut kennen. Denkt man zumindest. 

Ein großer Fokus der Erzählung liegt aber nicht nur auf dem Schiffsunglück an sich, sondern auch darauf, wie die Zustände der damaligen Zeit für die europäischen Aussiedler auf diesen Schiffen waren. Gelockt von der verheißungsvollen neuen Welt investierten sie alles was sie besaßen, verschuldeten sich auf der Reise teilweise noch und trotzdem erreichte häufig nur ein Drittel der Passagiere das gelobte Land – ausgezehrt, krank und fast verhungert, während die Besitzer der Reedereien großen Umsatz mit den Träumen dieser Menschen machten. Auch wie damals mit alleinstehenden Frauen umgegangen wurde, zeigt Pechmann deutlich auf. 

Ähnlich kritisch beschreibt er auch die Versklavung schwarzer Menschen zu dieser Zeit und beweist, dass es, um authentisch historisch zu schreiben, nicht zwingend notwendig ist, diskriminierende Sprache zu reproduzieren – auch wenn diese damals üblich war. 

Ein mystisches Element welches er einwebt sind klar die brennenden Geisterschiffe vor der Küste und die abergläubischen Geschichten der Seefahrer und Küstenbewohner. Zusätzlich okkult wird es durch eine der weiblichen Protagonistinnen, die ihre Geschichte nur anhand von Tarotkarten erzählen möchte – wobei der Protagonist selbst nicht genau weiß, ob er der Deutung dieser Karten nun Glauben schenken möchte, oder nicht. 

Alles in allem schafft es der Autor auf wenigen Seiten eine spannende Geschichte im Stil einer Gothic Novel oder Gothic Horror Geschichte zu spinnen, die besonders zum Ende hin mit einigen Plottwists aufwartet, aber nicht den Anspruch hat, einem eine eindeutige Auflösung der Rätsel zu bieten. 

Alexander Pechmann hat im Steidl-Verlag noch einige weitere Geschichten, basierend auf historischen Begebenheiten und Personen verfasst, die nach dieser Lektüre sofort auf meiner Wunschliste gelandet sind. 

  • Autor: Alexander Pechmann
  • Titel: Die Insel des kleinen Gottes
  • Verlag: Steidl
  • Erschienen: 10/2024
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 208
  • ISBN: 978-3-96999-404-7
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite 
  • Erwerbsmöglichkeiten


Wertung: 14/15 dpt

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