“Eisfeld” ist ein temporeicher Actionkracher
Nach tagelanger Beobachtung ist es eigentlich ein denkbar einfacher Bruch für Leif und Hamudi. Allerdings gerät die Situation völlig außer Kontrolle als Leif einen Kellerraum unter dem Keller entdeckt. Ein Gefängnis, in dem sich eine Frau und ein kleines Kind befinden. Leif will nur noch raus, doch plötzlich steht ihm der Besitzer Dirk Pankewitz gegenüber, da dessen Haus videoüberwacht ist. Als Hamudi zur Hilfe eilt, wird er von Pankewitz mit einem Brecheisen ermordet. Leif gelingt die Flucht, der Frau und dem Kind jedoch nicht. Stattdessen zerrt Pankewitz beide in einen Lieferwagen und setzt seine jahrelange Entführung der Frau fort.
Mara Eisfeld, frisch zur Chefin der 9. Mordkommission im LKA Berlin befördert, erkennt auf dem Überwachungsvideo die junge Frau als Katharina Stellkamp, die zehn Jahre zuvor als Teenager verschwand. Gemeinsam mit ihrem neuen Partner Gideon Blessing findet sie heraus, dass Pankewitz der Prepperszene angehört und so führt eine vielversprechende Spur zu einem Bunker in Brandenburg. Diesen haben auch Leif und Hamudis Bruder Murat entdeckt, zu dem sie sich gewaltsam Zugang verschaffen, um Hamudis Tot zu rächen. Prompt eskaliert die Situation erneut, wieder gibt es Tote.
Das Drehbuch steht schon mal
Steffen Weinert, Jahrgang 1975, stammt aus der Filmbranche, was man seinem Krimidebüt schnell anmerkt. Es geht sofort zur Sache, die Actionkurve zeigt steil nach oben, was bis zum wilden Finale so bleiben wird. Dabei wissen ausnahmsweise selbst die Ermittler „sofort“, wer der Entführer ist. Dem Überwachungsvideo sei Dank. Wobei, sofort trifft es nicht ganz, denn Katharina befand sich ja seit zehn Jahren in dem tiefergelegten Kellerraum.
Damals vergeigte Maras Kollege Banners die Ermittlungen kolossal, denn bei ihm geben sich Arroganz und Unvermögen bis heute versöhnlich die Hand. Die Karikatur eines Polizisten. Überhaupt hat es der Autor nicht so mit Figurenzeichnungen, was nicht nur dem hohen Erzähltempo geschuldet ist. Nahezu alle Personen wirken schablonenhaft, erfüllen ihre jeweiligen Klischees und bieten so kaum Gelegenheit, mit ihnen mitzufiebern, was sonst ja für eine Bindung zwischen Lesern und Protagonisten idealerweise der Fall ist. So nimmt man Rückschläge und Verletzungen der Betroffenen emotionslos zur Kenntnis. Mit der leicht aufbrausenden Mara mag man noch am ehesten mitfühlen, doch auch ihre Handlungen sind nicht immer nachvollziehbar geschweige denn als professionell zu bezeichnen. Und der Täter? Über dessen Gefühlswelt oder Motiv erfährt man nichts. Er ist halt das personifizierte Böse. Fertig.
Wer ein actionreiches Roadmovie möchte, mag zugreifen. Als Film respektive Kopfkino funktioniert der Roman problemlos. Wer jedoch ein wenig Tiefgang erwartet oder gar Erklärungen, warum die Dinge so geschehen wird an mehreren Stellen enttäuscht. Auch die Handlungsorte bleiben farblos. Zumindest bei der Stadt Berlin, wo die Handlung teilweise spielt, wäre problemlos eine lebendige Kulisse möglich gewesen. Aber es musste ja weitergehen in der Verfolgungswelle.
Es bleibt abzuwarten, ob sich der zweite Fall („Eisfeld – Dunkle Enthüllungen“; erscheint im Sommer 2025) in eine andere Richtung entwickelt oder der Autor weiterhin primär auf gekonnt, krachende Action setzt.
- Autor: Steffen Weinert
- Titel: Eisfeld – Der Fall Katharina S.
- Verlag: Knaur
- Umfang: 304 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: September 2024
- ISBN: 978-3-426-44821-2
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Wertung: 10/15 dpt