Der Bereich phantastischer Literatur wächst und mit ihr auch die Subgenres. Nach den Unterteilungen in High-, Urban Fantasy und Science Fiction (wo es auch wiederum massig Differenzierungen gibt), schwemmt eine riesige Romantasy-Welle den deutschen Buchmarkt und versorgt auch die Lesenden, deren Fokus auf Liebesgeschichten liegt, mit fantastischer Literatur. Relativ neu war ist cosy Fantasy. Als Beispiel hierfür wird oft T.J. Klunes “Mr. Parnassus Heim für magisch Begabte” erwähnt, welches zu meinen absoluten Herzensbüchern zählt. Und genau darum geht es wohl bei cosy Fantasy: Es sind Bücher für’s Herz, die sich anfühlen sollen, wie eine warme Umarmung. Das trifft sowohl auf “Mr. Parnassus Heim für magisch Begabte” wie auch auf “Spell Shop” (um das es hier ja eigentlich geht, nur Geduld!) absolut zu. Gleichzeitig beinhalten genau diese beiden Bücher aber auch Themen, die nicht ganz so leicht zu verdauen und eben nicht nur rosarot und fluffig sind. In einer anderen Definition heißt es nun, dass solche Bücher dann nicht cosy Fantasy, sondern maximal Bücher mit “cosy Vibes” seien, da cosy Fantasy wirklich nur und ausschließlich nette Themen (und vor allem nichts politisches) behandeln würde. Eine klare Einteilung gibt es also nicht, weswegen ich mich vor allem auf das Gefühl beziehe, dass ein Buch letztendlich hinterlässt.
Bei “Spellshop” war dieses Gefühl ganz klar so, wie wenn man nach einem herbstlichen Spaziergang durchgefroren nach Hause kommt, und sich mit Kuscheldecke, dicken Socken und einer Tasse warmen Kakao inklusive Extraportion Sahne, auf die Couch verkriecht. Cosy eben! Und das, obwohl ich zu Beginn sehr kritisch war, knapp 120 Seiten brauchte um wirklich im Buch anzukommen und obwohl die Liebesgeschichte irgendwann recht viel Raum einnimmt und mir das in Fantasy-Geschichten oft nicht so gut gefällt.
Und das, obwohl es unsere Protagonistin Kiela nicht wirklich leicht hat. Jahrelang hat sie sehr zurückgezogen gelebt und sich nur mit den Zauberbüchern und Grimoires in der Bibliothek, in der sie arbeitet, umgeben. Ihr einziger Gefährte war dabei ihr Assistent Caz, ein sehr belesenes, aber auch sehr ängstliches Spinnenkraut, das durch ein magisches Experiment zum Leben erweckt wurde. Als der Kaiser von Rebellen gestürzt wird und diese die Bibliothek anzünden, müssen Kiela und Caz fliehen. Nur mit ein paar ausgewählten Grimoires im Gepäck landen sie schließlich auf einer weit entfernten Insel. Um dort zu überleben muss Kiela improvisieren und beschließt, einen Marmeladen-Laden zu eröffnen. Vor allem muss sie aber lernen, Kontakte zu ihren Nachbar*innen zulassen – auch zu dem sehr netten Seepferd-Züchter Larran, mit dessen Hilfsbereitschaft Kiela zunächst gar nicht gut umgehen kann. Bei weiteren aufkommenden Problemen ist es natürlich äußerst praktisch, dass sie mehrere Zauberbücher im Gepäck hat – wenn die Anwendung von Magie nicht so absolut verboten wäre …
Kiela ist ein etwas sperriger Charakter. Einerseits kann man nachvollziehen, dass sie grundsätzlich eher introvertiert ist, dass sie Angst hat entdeckt zu werden und dass ihr ihre Privatsphäre wichtig ist. Andererseits bleiben die Gründe dafür, warum sie überhaupt angefangen hat sich so von Menschen zu isolieren sehr vage und gehen kaum in die Tiefe. Auch dass sie Larran zu Beginn so unhöflich begegnet, er sich für sein Verhalten entschuldigt, sie aber nicht, hat mich fast schon stellvertretend für ihn sauer gemacht. Zu anderen Personen fasst sie hingegen enorm schnell Vertrauen. Es bleibt also sehr unausgewogen, macht aber trotzdem Spaß ihr dabei zuzusehen, wie sie Stück für Stück ihre Befangenheit ablegt.
“Es war nicht so, dass sie Menschen nicht mochte. Sie mochte bloß Bücher lieber. Bücher machten kein Theater, verurteilten oder verspotteten einen nicht und wiesen einen auch nicht zurück. Nein, sie baten einen hinein, schüttelten die Kissen auf der Couch auf, boten einem Tee und Toast an und ließen einen dann in ihr Herz blicken, ohne irgendetwas anderes zu erwarten, als dass man in sich aufnahm, was sie zu bieten hatten.”
In anderen Situationen wird jedoch sehr gut geschildert, dass Kielas und Caz’ Flucht definitiv ein traumatisches Erlebnis für die beiden war und vor allem bei Kiela Spuren hinterlassen hat.
Sehr gut hat mir Caz als pflanzliches Sidekick. Ein bisschen neunmalklug, ein bisschen unbeholfen und unfreiwillig komisch, aber vor allem ein wirklich guter Freund für Kiela – und eine sehr kreative Idee der Autorin. Auch weitere Sidekicks, die ich hier aber nicht spoilern möchte, haben mir beim Lesen sehr viel Spaß gemacht und sind vielleicht zu einem Lieblingscharakter im Buch avanciert.
“Menschen sind emotional erschöpfend, weißt du das? Von den meisten Pflanzen kann man nicht dasselbe sagen. Du solltest dir vielleicht ein Beispiel nehmen und selbst mehr Pflanze sein!”
Wie oben bereits erwähnt, ist die Lovestory von Beginn an recht präsent, wenn auch eher slow burn. Was mir aber gut gefallen hat, ist, dass sie absolut nicht toxisch dargestellt wird, und das obwohl Kiela auch hier mit einigen Unsicherheiten und Eifersucht zu kämpfen hat.
Das Worldbuilding und auch das Magiesystem erklärt sich im Verlauf der Geschichte von selbst und kommt nicht mit Infodumping daher. Allerdings waren manche Elemente für mich persönlich sehr hart an der Grenze zum ultrapinken kitschigen Kinderbuch. Dadurch, dass diese aber nur einmal auftreten absolut aushaltbar.
Einer meiner größten Kritikpunkte ist leider die Repräsentation nonbinärer Personen. Allgemein bemüht sich die Autorin sehr um Diversität – Kiela beispielweise hat blaue Haut und Haare und magentafarbene Sommersprossen. Neben ihrer Nachbarin mit dem Pferdekörper oder der mit dem Hirschgeweih fällt das aber nicht weiter auf. Außerdem gibt es die Repräsentation lesbischer Liebe. Bei dem nonbinären Charakter werden die Pronomen jedoch mit “es” übersetzt. Ich konnte leider keine englische Ausgabe auftreiben, um zu überprüfen, welche Pronomen im Original verwendet werden, kann mir aber nur schlecht vorstellen, dass es “it” sein sollte. In beiden Fällen, also bei schlechter Übersetzung ins deutsche wie auch bei der Verwendung von “it” im Original, wird der Diversität ein absoluter Bärendienst erwiesen. “It” und “es” sind in beiden Sprachen Pronomen für Gegenstände, was einen nonbinären Charakter (auch wenn er kein Mensch ist), auf ein “Ding” reduzieren würde.
Weitere Schwachpunkte liegen leider darin, dass das Tempo in der zweiten Hälfte des Buches ordentlich anzieht und Kiela sich immer wieder in Situationen wiederfindet, die auswegslos erscheinen. Das wäre für mich kein Problem, wenn Kiela nicht immer wieder völlig unlogisch handeln und sich letztendlich mit mehr Glück als Verstand aus diesen Situationen herausmanövrieren würde. Dazu kommen besonders am Ende sehr unlogische Elemente im Worldbuilding – oder kann mir jemand erklären, wie Seepferde Fohlen zur Welt bringen, wenn ihr Unterleib aus einer Flosse besteht? Man merkt hier deutlich den Unterschied zu Fantasybüchern die weniger Wert auf cosy vibes und lovestory, dafür aber auf logische Handlungsabläufe legen.
Alles in allem und trotz dieser Mankos hat mir das Buch aber gut gefallen. Ich kann es allen empfehlen, die ohne große Erwartungen eine süße Geschichte lesen wollen, gerne Marmeladenbrote essen, nicht-toxische Liebesgeschichten, lustige Sidekicks und viele schöne Buchzitate mögen.
- Autor: Sarah Beth Durst
- Titel: Spellshop. Vom Zauber der kleinen Dinge
- Originaltitel: The Spellshop
- Übersetzer: Aimée de Bruyn Oubouter
- Verlag: Fischer TOR
- Erschienen: 2024
- Einband: Hardcover
- Seiten: 489
- ISBN: 978-3-596-71094-2
- Sonstige Informationen:
- Produktseite
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 9/15 dpt