Der Literaturpodcast „Autorinnen im Porträt“ rückt in jeder Episode eine Schriftstellerin in den Fokus. Dabei schauen wir auf das Leben der Autorin und auf ihr Werk. Wer wir sind? Mariann Gáborfi und Sarah Teicher aus Leipzig. Wir sind auch Redakteurinnen bei Booknerds.de und haben deshalb beschlossen, zu dem im März 2022 gegründeten Podcast eine begleitende Kolumne zu schreiben. (Alle Folgen der Kolumne im Überblick.)
In der heutigen Kolumne krame ich mal wieder etwas tiefer in unserem Fundus der Podcastfolgen: Im Sommer 2023 war es mir ein großes Herzensanliegen, dieser ganz besonderen Persönlichkeit eine Folge zu widmen: Ruth Berlau. Eine Autorin, deren vielseitigen Talente bis in die heutige Zeit einfach viel zu wenig gewürdigt werden. Warum? Sie teilte das Schicksal vieler Frauen: Sie stand Zeit ihres Lebens und Schaffens im Schatten eines berühmten Mannes. In ihrem Fall handelte es sich um keinen geringeren als Bertolt Brecht, mit dem sie nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit, sondern auch eine Liebesbeziehung verband.
Ruth Berlau kommt 1906 in Kopenhagen, Dänemark zur Welt. Ihre Schulausbildung muss sie abbrechen, die Eltern sind zu arm dafür. Sie nimmt verschiedene Jobs an, doch der als Zahnarzthelferin ist es, der ihr zeigt: Dieses Leben möchte ich nicht führen. Und so begibt sich Ruth 1928 in ein großes Abenteuer. Sie beginnt eine Reise nach Paris – auf ihrem Fahrrad! Wer oder was ihr auf der Reise begegnete, schrieb sie für eine dänische Zeitung in haarsträubenden Berichten nieder. Absolut lesenswert und zu finden in dem Büchlein “Ruth Berlau: Der Teufel ist ein schlechter Chauffeur. Zwischen Kopenhagen, Paris, New York und Berlin”, erschienen im Transit Verlag, hrsg. und mit einem Nachwort von Ditte von Arnim. Einfach köstlich! Und wirklich bewundernswert.
In Ihrem Erzählband “Jedes Tier kann es”, der 1940 auf Dänisch erscheint, rechnet sie mit der Liebe ab: schwarzhumorig und ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit. Auch dafür möchte ich meine absolute Leseempfehlung aussprechen und bedauere sehr, dass es das Buch nur noch gebraucht zu kaufen gibt. Der Band wurde aus dem Dänischen übersetzt von Regine Elsässer und mit einem erhellenden Nachwort versehen von Klaus Völker. Erschienen im Persona Verlag 1989.
Im Schicksalsjahr 1933 ist es, als Ruth Berlau auf Bertolt Brecht in seinem dänischen Exil trifft. Sie ist mittlerweile Schauspielerin am Königlichen Theater und wird seine Mitarbeiterin, deren Tätigkeit über bloße Schreibmaschinenarbeit weit hinausging – nicht immer wird ihre Mitarbeit explizit in Brechts Werken erwähnt, man kennt das ebenso von anderen Mitarbeiterinnen wie Elisabeth Hauptmann. Brecht und Berlau führen eine Liebesbeziehung und zeugen ein Kind, was kurze Zeit später stirbt. Ruth Berlau schreibt selbst, soweit es ihre Zeit zulässt und nimmt an internationalen Schriftstellerkongressen teil. Ihre Texte brillieren dank ausgeprägter Beobachtungsgabe. Sie selbst nennt sich “Aufschreiberin”, ihr Stil erinnert an Reportagen. In “Der Teufel ist ein schlechter Chauffeur” (s.o.) taucht man mit ihr in die Wolkenkratzerwelt des New Yorks der 40er Jahre ein und folgt ihr ins Nachkriegsdeutschland, genauer gesagt Berlin, wo sie am neu gegründeten Theater “Berliner Ensemble” rund um Brecht mitwirkt. Ihr scharfer Blick manifestiert sich noch in einem anderen Talent: der Fotografie. Sie wird die “Brecht-Fotografin” und hält Inszenierungen, Bühnenbilder und den damaligen Zeitgeist am Berliner Ensemble in Fotografien fest und gründet das Brecht-Archiv. Sie gibt einem Mann ihre Seele, ihr Herz und all ihre Energie, was – leider wie so oft – schließlich tragisch endet. Die Liebe zu Bertolt Brecht wird ihr zum Verhängnis und so wird sie vom Theater verbannt und stirbt verarmt 1974 in Ost-Berlin.
Was es noch über Ruth Berlau zu sagen gibt und welche inhaltlichen Schlenker wir hier und da in eine andere Richtung machen, erfahrt ihr in unserer Podcastfolge. Hier in kompletter Länge zum Nachhören:
Weitere Informationen und Literaturtipps findet ihr übrigens in den Shownotes (Episodeninformation) unseres Podcasts, in denen wir euch jedes Mal unsere Quellen nennen.
Wir freuen uns immer über euer Feedback auf Instagram oder Facebook. Dort findet ihr auch Rätsel zu den Autorinnen, Reels und Einblicke in das Leben eurer Lieblingspodcasterinnen. 😉
Viele Grüße und bis zum nächsten Mal
eure Sarah