La Salpêtrière in Paris – das wohl bekannteste psychiatrische Krankenhaus des 18. und 19. Jahrhunderts. Bekannt vor allem dafür, dass dort hauptsächlich Frauen behandelt und – gemäß den damaligen misogynen Sichtweisen – unter anderem wegen “Hysterie” behandelt wurden. Gleichzeitig war es aber auch Frauengefängnis und Waisenhaus für Mädchen.
Die dort untergebrachten Frauen waren unterdrückt, ihr Verhalten und ihre Taten gesellschaftlich unerwünscht und hatten in den wenigsten Fällen Fürsprecher. Um sie als “Freiwillige” in die französischen Kolonien der neuen Welt zu verschiffen, da es dort an Frauen im heiratsfähigen Alter mangelte, waren sie dann aber offensichtlich doch gut genug. Eine dieser Kolonien war das Gebiet “La Louisiane”, in dem auch das heutige New Orleans liegt.
“Frauen an Bord bringen Unglück.” Und Männer auf dem Festland, denkt sie.
In ihrem Roman “La Louisiane” befasst Julia Malye sich mit den Schicksalen von dreien dieser Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen zunächst in La Salpêtrière landen und dann, teils freiwillig teils aus Mangel an Alternativen, die beschwerliche und lebensgefährliche Reise auf den anderen Kontinent auf sich nehmen.
Bereits zu Beginn des Buches hatte ich leider Schwierigkeiten, die einzelnen Personen auseinanderzuhalten. Bei den drei Protagonistinnen gelang mir das irgendwann, die Nebenfiguren sind jedoch enorm zahlreich (Nonnen verschiedener Klöster, Familienangehörige, Liebhaber*innen, Nachbar*innen, Angehörige der indigenen Völker, zahlreiche Kinder …), werden allgemein nicht gut eingeführt und bleiben blass oder handeln nicht nachvollziehbar.
Allgemein scheint das aber Julia Malyes Stil zu sein – sie hält sich nicht lange mit Erklärungen auf, sondern wirft die Lesenden direkt ins Geschehen. Verknüpft mit extremen Zeitsprüngen, einem historischem Kontext und landschaftlichen Begebenheiten, die mir nicht besonders vertraut sind, war das häufig sehr verwirrend und auch anstrengend zu lesen. So musste ich mir zum Beispiel erstmal die zerklüftete Küste von La Louisiane bei Maps anschauen, um zu verstehen, warum so viele Strecken mit dem Boot zurückgelegt werden. Gleichzeitig enden enorm viele Handlungsstränge plötzlich und werden auch in folgenden Kapiteln nicht wieder aufgegriffen, was zu zusätzlicher Verwirrung führt.
Die Gefühlswelten der Protagonistinnen beschreibt die Autorin jedoch sehr ausführlich und eindringlich, was die größte Stärke des Buches darstellt.
Gut gefallen hat mir auch, dass das Buch keine diskriminierende Sprache und Heteronormativität reproduziert. Dies zeigt sehr deutlich, dass es durchaus möglich ist, einen historischen Roman authentisch inklusiv und diskriminierungskritisch zu schreiben, ohne dass dies den historischen Hintergrund verfälschen würde.
Alles in allem ein Buch, von dem ich mir, besonders wegen des feministischen und kolonialismuskritischen Themas, viel erhofft hatte, das diese Hoffnungen aber leider nicht erfüllt. Julia Malye schreibt im Nachwort, dass sie mehrere Jahre an diesem Roman gearbeitet hat und enorm viel recherchiert hat, was man dem Buch auch anmerkt. Für mich ergab sich, durch den speziellen Schreibstil, aber leider keine zusammenhängende Geschichte und ich konnte so nur sehr wenig aus der Lektüre mitnehmen.
- Autor: Julia Malye
- Titel: La Louisiane
- Originaltitel: La Louisiane
- Übersetzer: Sina de Malafosse
- Verlag: Gutkind
- Erschienen: 2024
- Einband: Hardcover
- Seiten: 528
- ISBN: 978-3-9894101-2-1
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 5/15 dpt