Colin Niel – Unter Raubtieren (Buch)


Eine bärenstarke Geschichte

Komuti ist ein junger Ziegenhirte, der in die schöne Kariungurua verliebt ist. Für ihren wohlhabenden Vater dürfte er jedoch bestenfalls vierte Wahl sein, weswegen sich die beiden heimlich des nachts treffen. Eine schwere Dürrezeit macht die Situation für den Clan der indigenen Himba nicht besser. Als Komutis Vater auf die Idee kommt, seine Ziegenherde in die Berge zu führen, in der Hoffnung dort noch ein wenig Gras zu finden, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Ein Löwe hat großen Hunger und nutzt seine Chance. Alle dreiundneunzig Ziegen werden von ihm gerissen. Für die Himba ist klar, der cow killer muss getötet werden, während sich die Regierung Sorgen um die Auswirkungen auf den Tourismus macht.

Martin ist ein erfahrener Ranger in den französischen Pyrenäen und auf der Suche nach Cannellito, dem letzten männlichen Bären im Naturschutzpark. So er denn noch lebt, was Martin im Gegensatz zu den anderen Rangern bezweifelt. In seiner Freizeit engagiert sich Martin in einer Internetgruppe, die Jagd auf Großwildjäger machen. Sind diese enttarnt, weil sie von ihren Trophäen Fotos posten, werden sie zum Abschuss in den sozialen Medien freigegeben. Ein Foto, dass eine junge Blondine vor einem getöteten Löwen zeigt, macht Martin mehr als wütend. Er will die Frau an den Pranger stellen, aber im Netz finden sich keine verwertbaren Spuren hinsichtlich ihrer Identität.

Appoline erhält zu ihrem zwanzigsten Geburtstag ein tolles Geschenk. Einen hochmodernen Compoundbogen der Marke Mathews Avail. Bestens geeignet für die Großwildjagd, ein Hobby ihres Vaters und der verstorbenen Mutter. Jetzt soll es auch für sie soweit sein, denn das eigentliche Geschenk im Wert von mehreren zehntausend Euro ist die Trophäe eines Löwen aus Namibia. Doch der will erst einmal gefunden und erlegt werden. Ausnahmsweise hat die Regierung Namibias einen Löwen zum Abschuss freigegeben.

Mensch gegen Tier, Tier gegen Mensch und nicht zuletzt Mensch gegen Mensch. Die große Jagd kann beginnen.

Colin Niel sollte jeder Krimifan kennen

Nach „Nur die Tiere“ erschien in diesem Jahr „Darwyne“ des französischen Ausnahmeautors Colin Niel. Preisgekrönt sind alle seine Romane, von denen drei ins Deutsche übersetzt wurden; „Unter Raubtieren“ ist der zweite davon. Alle Titel sind stand-alone-Thriller, wobei Krimipuritaner über den Begriff womöglich streiten würden. Wer den gängigen Genreaufbau von Verbrechen, Ermittlung und Auflösung erwartet, wird bei Niel lange den Krimi oder den Thrill suchen. Manche werden ihn erst entdecken, wenn sie schon mittendrin sind.

Aber die Wirklichkeit sah anders aus, auf diesem Planeten, den der Mensch immer weiter kaputtmachte, gab es mehr Löwen aus Plüsch als in freier Wildbahn. Und jede Wette, eines Tages werden wir in der Vergangenheitsform von ihnen sprechen.

Zum Inhalt soll sich viel mehr als eingangs erwähnt verraten werden, nur noch so viel: Neben Appoline will auch Komuti den cow killer erlegen, in der Hoffnung, so die Gunst von Kariunguruas Vater zu gewinnen. Das Martin anhand des veröffentlichten Fotos dann seinerseits „Jagd“ auf Appoline macht, zeigt sich bald. Allerdings ist bis zum Schluss längst nicht ausgemacht, wer Jäger und wer Gejagte/r ist.

Die Geschichte wird maßgeblich aus vier Perspektiven erzählt. Da wären Appoline, Martin und Komuti jeweils als Ich-Erzähler und in der dritten Person ein gewisser Charles. Ok, erfährt man auf den ersten Seiten, dass er besagter Löwe ist – und sogleich die einzige sympathische Figur. Martin steht zwar als Ranger und Tierschützer grundsätzlich auf der richtigen Seite, ist allerdings ein blinder Fanatiker, der radikale Lösungswege sucht. Dies macht ihn bei Kollegen und Vorgesetzten nicht beliebt, beim Leser auch nicht. An einer Stelle merkt er an, er sei doch kein Psychopath. Nun, nicht alle werden diese Selbsteinschätzung bestätigen. Appoline hat derweil durchaus empathische Seiten, wodurch sie sich wohltuend von ihrem Vater unterscheidet, allerdings ist es nur schwer verständlich, warum eine Zwanzigjährige darauf hin fiebert, einen Löwen zu töten. Die Faszination der Großwildjagd und die Präzision des Bogenschießens beschreibt Colin Niel allerdings derart intensiv und packend, dass man fast selber … aber eben nur fast. Auf der anderen Seite wird einem durch Martin nämlich vor Augen geführt, wie es um die Welt bestellt ist, vor allem um bedrohte Tierarten.

Meneer, sagen Sie es dem Minister: Dieser Löwe ist ein Vielmörder. Vee moordenaar.“
„Iiii…

Über Komuti erfährt man viel um das Leben des Himba-Clans in Namibia, dessen Traditionen und Rituale. Vergangenheit und Gegenwart, Indigene und Touristen, es treffen Welten aufeinander. „Unter Raubtieren“ ist ein Ökothriller, der sich langsam aufbaut, dann an Fahrt aufnimmt und in einem furiosen Finale mündet. Wer nicht den üblichen Krimi-Einheitsbrei lesen möchte, findet hier eine mehrfach preisgekrönte Alternative.

  • Autor: Colin Niel
  • Titel: Unter Raubtieren
  • Originaltitel: Entre fauves Aus dem Französischen übersetzt von Anne Thomas
  • Verlag: Lenos
  • Umfang: 403 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: August 2022
  • ISBN: 978-3-85787-830-5
  • Produktseite

Wertung: 13/15 dpt


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