Der Literaturpodcast „Autorinnen im Porträt“ rückt in jeder Episode eine Schriftstellerin in den Fokus. Dabei schauen wir auf das Leben der Autorin und auf ihr Werk. Wer wir sind? Mariann Gáborfi und Sarah Teicher aus Leipzig. Wir sind auch Redakteurinnen bei Booknerds.de und haben deshalb beschlossen, zu dem im März 2022 gegründeten Podcast eine begleitende Kolumne zu schreiben. (Alle Folgen der Kolumne im Überblick.)
Schon lange sind Geschichten, die in Bildern erzählt werden, nicht mehr nur action- und testosteronbeladenen Superhelden vorbehalten. Gerade der japanische Markt überspült die Buchlandschaft seit Jahren mit einer Masse an Mangas und es gibt fast keine Buchhandlung mehr, in welcher man nicht von den großäugigen Charakteren auf den Covern begutachtet wird. Selbst die Buchmesse in Leipzig widmet dem Genre des Comics seit mehreren Jahren eine eigene Halle und die Faszination an den bebilderten Geschichten scheint ungebrochen.
Doch schon bevor dieser Hype uns erreichte, widmete sich die Autorin Liv Strömquist der Welt der erzählerischen Bilder. Seit den frühen 2000er Jahren veröffentlicht die in Schweden geborene Künstlerin Comics und Graphic Novels, die sich insbesondere mit Themen wie Feminismus, Kapitalismus, Machtstrukturen und der Geschichte des Patriarchats auseinandersetzen. Sie versteht es mit ihren Werken auf gekonnte Art und Weise komplexe Themen visuell ansprechend, aber auch tiefgründig darzustellen. Zudem merkt man ihren Arbeiten einen fabelhaft bissigen Humor an, mit welchem sie die gesellschaftlichen Tabus, die ihre Werke beinhalten, direkt und gut recherchiert karikiert und hinterfragt.
In ihrem 2017 in Deutschland im avant-verlag erschienenen Werk „Der Ursprung der Welt“ , welches mit Ausnahme eines Kapitels, komplett in schwarz/weiß gehalten ist, lässt sie die Figur direkt zu Beginn zu den Lesenden sprechen und steigt ohne Umschweife in Themen ein, die den weiblichen Körper betreffen. Dabei schildert Strömquist die Geschichte rund um das weibliche Geschlechtsorgan, wie es vom Patriachart wahrgenommen wird und wie verhärtet die Denkmuster bis heute in Erscheinung treten. Die Bilder sind dabei in einem einfachen Stil gehalten und nicht selten kommt es vor, dass eine Sprechblase auch einmal mehr Platz einnimmt als die Zeichnung selbst.
In unserer Folge von “Autorinnen im Porträt” reden wir unter anderem darüber, wie sich Graphic Novel und Comic voneinander unterscheiden und ob es überhaupt den Unterschied gibt. Dabei sind wir auf verschiedene Ansätze gestoßen, aber keinen eindeutigen, weswegen wir beide Bezeichnungen verwenden. Ganz gleich, ob nun Comic oder Graphic Novel, Liv Strömquist schafft es auf unterhaltsame, kritische und gerne auch einmal satirische Weise gesellschaftspolitische Fragen so zu beleuchten, dass sie zum Nachdenken anregen und man nicht wenig Lust bekommt sich mit der eigenen Rolle in unserer Gesellschaft auseinander zusetzen. Ihre Graphic Novel “Der Ursprung der Liebe”, 2019 erschienen im avant-verlag, lässt sich sehr gut an das vorhergegangene Werk anschließen, wobei sie hier mehr den Fokus auf die Zwischenmenschlichkeit legt und wie diese von den vorherrschenden Machtstrukturen beeinflusst wird. Auch hier lässt sich ihre präzise und tiefgehende Recherche anmerken, denn es macht einfach Spaß, dabei zu sein, wenn Strömquist historische Anekdoten mit popkulturellen Bezügen hinterlegt und die romantischen Liebe mit samt ihren tradierten Rollenmustern hinterfragt.
Auch halten wir beide Bücher für die Einbindung in den Lehrplan an Schulen, für mehr als geeignet, was daran liegt, dass Strömquist durch ihre humorvolle wie auch direkte Art, komplexe und gesellschaftliche Themen niedrigschwellig veranschaulicht. Das macht die Lektüre für eine breite Masse zugänglich und dürfte durch die anschaulichen Illustrationen auch bei jugendlichen Schülerinnen und Schülern auf Interesse stoßen, die gerade selbst dabei sind ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.
Strömquists Werke, wie “Der Ursprung der Welt” und “Der Ursprung der Liebe”, zeigen eindrücklich, wie stark das Medium der Graphic Novel gesellschaftliche Diskussionen entfachen kann – und wie diese Form der Literatur und Kunst noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Liv Strömquist stellt mit ihrem Schaffen unter Beweis, dass Comics oder auch Graphic Novels ein ernstzunehmendes Medium für kritische Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft sein können, und schafft einen Schulterschluss zum feministischen Aktivismus, der heute deutlich in Erscheinung tritt, aber noch lange nicht das erreicht hat, wofür er steht und zwar die Gleichberechtigung aller Menschen.
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Eure Mariann