Ralf Schwob – Osthafen (Roman)


Ralf Schwob hat ein neues Buch, namens “Osthafen”, geschrieben. Einen „Frankfurt-Krimi“, wie es im Untertitel heißt, der eigentlich kein klassischer Krimi ist, aber trotzdem richtig gut unterhält. Wie das geht? Schwob hat ein feines Gespür für kantige Charaktere, die er glaubwürdig inszeniert. Mit viel Empathie für seine Protagonisten zeigt er menschliche Tragödien ohne „gefühlig“ zu werden. Viele seiner Figuren sind Leute wie du und ich, die durch Umstände, die jeden treffen könnten, in extreme Situationen getrieben werden.

In „Osthafen“ ist es der Arzt Alexander Bühler, der nach dem Krebstod seiner Frau aus der Bahn geworfen wird. Durch seine Spielsucht gerät er in kriminelle Kreise und wird gezwungen seine Spielschulden abzuzahlen, indem er Unterwelt-Kunden in einer illegalen Praxis am Frankfurter Osthafen behandelt. Ihm assistiert die pensionierte Krankenschwester Karin Schneider, die wie Bühler zum Dienst gezwungen wird. Die Praxis am Osthafen wird zum Schicksalsort, an dem sich die Wege von Tätern und Opfern kreuzen.

Schwob entwirft mit Osthafen eine durchaus realistische Parallelwelt, in der das organisierte Verbrechen das Leben von verschiedenen Menschen fest in der Hand hält. Ungeschönt bereitet er das Thema Zwangsprostitution auf, deren Opfer die junge Rumänin Adriana wird. Während es in einem klassischen Krimi darum geht, einen Täter zu überführen, lebt die Spannung in Schwobs Roman davon, ob es den Protagonisten gelingt, sich aus dem unheilvollen Netz zu befreien.

„Osthafen“ ist eine krasse Milieustudie, die gesellschaftliche Misstände bloßlegt, ohne zu einer naiven Gut-Böse-Geschichte abzuflachen. Schwob geht nicht zimperlich mit seinen Figuren um. Seine Sprache ist nüchtern und direkt, die Handlung actionbetont und rasant, wozu auch die häufigen Perspektivewechsel beim Erzählen beitragen. Geschickt fügt er ohne den roten Faden zu verlieren aus den zahlreichen Einzelgeschichten seiner Protagonisten die komplexe Gesamthandlung zusammen.

Darüber hinaus ist der Groß-Gerauer ein regionaler Autor at it’s best. Schwob siedelt seinen Roman „Osthafen“ vor allem im Bahnhofsviertel der Mainmetropole an, rund um das Messegelände und das Gallusviertel sowie im südlich gelegenen Groß-Gerau. Dabei integriert Schwob das Setting perfekt ins Geschehen, so dass die Schauplätze nicht nur filmisch genau die Handlung einrahmen, sondern sogar eine feste Rolle spielen. Ohne Frage liefert dieser Punkt Lesenden mit entsprechender Ortskenntnis einen nicht unwesentlichen zusätzlichen Genusspunkt. Aber auch ohne Ortskenntnisse entsteht bei der Lektüre kein Spannungsverlust, denn die Ortsbeschreibungen sind präzise genug um für sich allein zu stehen.

Mit dem phantastisch fotografierten Coverbild, auf dem die Osthafenbrücke bei Nacht zu sehen ist, stimmt der Frankfurter mainbook Verlag die Leser:innen perfekt auf die besondere Atmosphäre ein.

Klare Leseempfehlung, nicht nur für Frankfurter und Frankfurterinnen.

  • Autor: Ralf Schwob
  • Titel: Osthafen
  • Verlag: mainbook Verlag
  • Erschienen: September 2024
  • Einband: Broschierte Ausgabe
  • Seiten: 248 Seiten
  • ISBN: 978-3948987862

 


Wertung: 13/15 dpt


Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share