Finn Job – Damenschach (Buch)


Ein fünfzigster Geburtstag, eine exzentrische Hausherrin, ein rätselhaftes Hausmädchen, der Hausfreund, der uneingeladen erscheint, sowie ein Zwillingsbruder, der einmal eine Zwillingsschwester war nebst junger Geliebter. Soweit die Besetzungsliste von Finn Jobs zweiten Roman, “Damenschach”, der nicht nur in Bezug auf seine Darsteller:innen wie ein wildes Kammerstück daher kommt.

Wie bei einem Theaterstück konzentriert sich die zentrale Handlung auf einen einzigen Ort. Hier ist es das Haus von Marie-Louise, einer reichen Witwe, die – das erfahren wir gleich zu Beginn – die Angewohnheit hat, ihren Wohnsitz mit teuren Dingen vollzustellen, die sie willkürlich überall zusammenkauft. Marie-Louise hat Geburtstag, möchte diesen jedoch am liebsten allein verbringen und nur am Nachmittag zum Damenschach gehen. Gesellschaft leistet ihr Ivana, die Haushälterin, die mit frechem Witz und ausgesuchter Cleverness den Überblick behält, egal was im Verlauf der Handlung noch passiert.

Uneingeladen, aber trotzdem willkommen, erscheint mit David der Hausfreund Marie-Louises. Die beiden besitzen eine amouröse Vorgeschichte, inzwischen hat sich ihre Beziehung jedoch auf platonischem Niveau eingependelt.

Weitere Brisanz erhält die Personenkonstellation als schließlich auch Marie-Louises eineiiger Zwillingsbruder Marius mit seiner jungen Lebensgefährtin Olivia vor der Tür steht. Marius war bis vor kurzem noch eine Frau. Die Geschwister sind einander in Hass-Liebe verbunden, deren Gründe im Dunkeln bleiben. Beide begehren sie die attraktive Oliva, die sich wiederum von Marius trennen will.

Im Buch steckt eine enorme Energie. Charaktere und Setting sind von Finn Job mit großem Ideenreichtum und viel Liebe zum Detail ausgestattet. Die zahlreichen Dialoge verleihen dem Text ein atemloses Timbre, denn hinter jedem neuen Thema, das angeschnitten wird, wird weiteres Konfliktpotential sichtbar. Doch trotz dieser enormen Explosivität, in die der Autor sichtbar groß investiert, konnte bei mir leider der richtige Funke nicht überspringen.

Obwohl Finn Job seine Charaktere mit ausführlichen Biografien ausstattet, die sukzessive wie kleine Geschichten in der großen Geschichte erzählt werden (und jede davon auch uneingeschränkt großartig), bleibt eine Entwicklung der handelnden Figuren weitgehend aus. Zwar trägt jeder Charakter weitere Themen in den Plot hinein. Eine Handlung generiert sich dadurch jedoch nicht.

Die Themenvielfalt ist beeindruckend und repräsentiert einen aktuellen Querschnitt tagesaktueller Aufgeregtheiten aus Politik und Gesellschaft. Doch der rote Faden bleibt leider unsichtbar. Den immer neu angestossenen Diskussionen zu folgen, wird so schnell ermüdend. Am Ende wirkt alles ziemlich überfrachtet, analog zum Setting selbst, der vollgestellten Villa Marie-Louises.

Für ein Lesepublikum mit Spaß an skurrilen Figuren und schnellen Wortwechseln hält der Roman sicher ein gewisses Unterhaltungspotential bereit. Für Leser:innen, die einen Text mit universellem Nachklang suchen, ist „Damenschach“ nicht unbedingt die geeignete Wahl.

  • Autor: Finn Job
  • Titel: Damenschach
  • Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
  • Erschienen: August 2024
  • Einband: Gebundene Ausgabe
  • Seiten: 176 Seiten
  • ISBN: ‎ 978-3803133717

Wertung: 8/15 dpt


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