Bombenanschläge und Bandenkrieg in Glasgow
April 1974. Detective Harry McCoy und sein junger Partner Douglas „Wattie“ Watson haben alle Hände voll zu tun, vor allem Wattie, der gerade Vater wurde. Die Spannungen zwischen Großbritannien und der IRA halten die Region in Atem und so scheint es nur eine Frage der Zeit, wann nach Anschlägen in London, Birmingham und Manchester auch in Glasgow die erste Bombe explodiert.
„Die IRA?“
„Nicht ausgeschlossen. Ist schließlich Karfreitag.
Dies sind die ersten Sätze in „Die April-Toten“, dem vierten Teil der Harry-McCoy-Reihe. Doch die besagte Explosion war nicht das Werk der IRA, sondern vielmehr der gescheiterte Versuch eines Bombenbastlers, der sich gleich selbst in die Luft sprengte. Bereits am nächsten Tag detoniert allerdings eine vergleichbare Bombe, dieses Mal in der Glasgow Cathedral. Harry McCoy hat derweil noch zwei weitere Probleme am Hals.
Sein Jugendfreund und heutiger Bandenboss Stevie Cooper wurde aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er ein halbes Jahr zuvor Pat Dixon zusammengeschlagen hat und dieser dabei ein Augenlicht verlor. Dessen Bruder, der brutale Schläger Jamsie Dixon, greift Cooper noch am Tag seiner Entlassung mit einem Messer an. McCoy beschwört Cooper, die Sache für wenige Tage auszusitzen, denn dann muss Jamsie ohnehin eine längere Haftstrafe antreten. Es kommt der Ostersonntag und in der Nähe des Stahlwerks von Shettleston wird eine über zugerichtete Leiche gefunden.
In einer Bar wurde McCoy zudem von einem Ex-US-Navy-Captain angesprochen, der sich Sorgen um seinen verschwundenen Sohn Donny macht. Dieser ist auf dem amerikanischen Marinestützpunkt Holy Loch stationiert, kam aber nach einem Freigang nicht zurück. Schon bald verhärtet sich McCoys Verdacht, dass Donny in die Bombenanschläge verstrickt sein könnte. Dahinter steckt ein gefährlicher und zu allem bereiter Fanatiker, der dem Alkohol den Kampf angesagt hat und mit seiner von ihm aufgestellten Privatarmee von einem neuen Schottland träumt. Die Uhr tickt, der nächste Anschlag naht und ein Bandenkrieg scheint unvermeidlich.
Vierter Teil der lesenswerten Harry-McCoy-Reihe
Die ersten drei Bände der Harry-McCoy-Reihe („Blutiger Januar“, „Tod im Februar“ und „Bobby March Forever“) erschienen bei Heyne Hardcore, aber anscheinend war der Verlag nicht weiter interessiert. Unverständlich und somit ein „Geschenk“, welches der Polar-Verlag dankbar annahm und dabei auf Conny Lösch, die bereits die Vorgänger übersetzte, bauen konnte. Ein lesenswertes Nachwort von Doug Johnstone (unter anderem bekannt durch die ebenfalls bei Polar erscheinende Skelfs-Reihe) soll nicht unerwähnt bleiben sowie die Aussicht auf mögliche Fortsetzungen, die bereits im Original vorliegen.
Alan Parks schreibt einen beeindruckenden und facettenreichen Tartan Noir, der auf der Shortlist für den McIlvanney Prize 2021 stand, benannt nach dem schottischen Krimiautor William McIlvanney, dem „Godfather of Tartan Noir“. Einen Ruf, den er seiner Laidlaw-Reihe zu verdanken hat, die lediglich aus drei Bänden besteht, das Genre aber für nachfolgende Krimiautorgenerationen maßgeblich geprägt hat. Ian Rankin (Inspektor Rebus) sagte einmal in einem Interview, dass er ohne die Bücher von McIlvanney vermutlich gar nicht erst angefangen hätte, selber Kriminalromane zu schreiben. Folglich hat Rankin mit „Das Dunkle bleibt“ ein Manuskript aus dem Nachlass von McIlvanney vollendet; ein Roman, der vor der Laidlaw-Trilogie spielt.
Parks schreibt in einem furiosen, geradezu aberwitzigen Tempo. Kurze Kapitel, knackige Dialoge, kaum ein Wort zu viel. Gleichzeitig schildert er faszinierend den Ort der Handlung. Glasgow, Anfang bis Mitte der 1970er Jahre, landesweit die höchste Armuts- und Kriminalitätsrate. Nein, da möchte man sicher nicht gelebt haben, denn selbst erfahrene Polizisten trauen sich nicht in jede Straße, geschweige denn in jede Kneipe. Apropos: McCoy sollte eigentlich Pubs meiden, denn er leidet unter einem heftigen Magengeschwür, welchem Alkohol und Zigaretten keineswegs zuträglich sind. Doch Bier und Whisky müssen sein, Zigaretten sowieso. Ansonsten erfährt man über den Protagonisten recht wenig, außer dass ihm das allgegenwärtige „Waterloo“ auf den Keks geht. Wattie hat immerhin eine Frau an seiner Seite nebst Baby, sowie einen Vater, der ein glühender Kommunist ist. Was hingegen jenen Fanatiker umtreibt, der hinter den Anschlägen steckt, führt in allergrößte Abgründe. Bezüge zu den Konzentrationslagern der Nazis bis hin zur kolonialen wie imperialen Ausbeutung durch die Engländer inbegriffen, entsetzliche Folterszenen on top.
Mitunter harte Kost, gleichwohl mit viel trockenem und tiefschwarzem Humor vorgetragen. Dazu ein Held, der gern den üblichen Konventionen trotzt. Er tritt für Recht und Ordnung konsequent ein, was ihn aufgrund seiner Freundschaft zu Cooper wiederholt in arge Bedrängnis bringt und ist sich nicht zu schade, geltendes Recht zu brechen, wenn es so gelingt, ein Verbrechen aufzuklären. „Die April-Toten“ ist ein rundum gelungener Pageturner, der allen (schottischen) Krimifans nachdrücklich empfohlen werden kann.
- Autor: Alan Parks
- Titel: Die April-Toten
- Originaltitel: The April Dead. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Mit einem Nachwort von Doug Johnstone
- Verlag: Polar
- Umfang: 448 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: September 2024
- ISBN: 978-3-910918-06-1
- Produktseite
Wertung: 13/15 dpt