Martin Cruz Smith – Nacht in Havanna (Buch)


Arkadi Renko ermittelt auf Kuba

Im Büro der Moskauer Staatsanwaltschaft ging ein Hinweis ein, wonach sich der ehemalige Geheimdienstchef Sergej Pribluda, der inzwischen als Zuckerattaché auf Kuba arbeitet, in großer Gefahr befinde. Der Ermittlungsbeamte Arkadi Renko, der nach dem Tod seiner geliebten Irina seinen Lebensmut verloren hat, fliegt nach Havanna, um eine letzte Aufgabe zu erfüllen. Er will wissen, was aus seinem einstigen Widersacher geworden ist. Doch kaum ist Renko in Havanna angekommen, wird in der dortigen Bucht vor Casablanca ein Toter aus dem Meer geborgen. Eigentlich stellt sich die Situation recht einfach dar: Leiche identifizieren und am gleichen Abend mit dieser zurück nach Russland fliegen. Aber Renko weigert sich, diese als jene von Pribluda zu bestätigen, denn einerseits lag diese schon länger im Wasser und ist kaum zu erkennen und andererseits würde eine Identifikation den Fall zu den Akten legen. So ist immerhin eine Ermittlung möglich und Renko will schließlich wissen, was genau vorgefallen ist.

Sie haben zusammengearbeitet?“
„Gewissermaßen. Er hat versucht, mich umzubringen. Es war eine komplizierte Freundschaft.

Eine Ermittlung lehnen die Beamten des Innenministeriums ab, schließlich wird als Todesursache ein Herzinfarkt genannt. Ein Unfall also, wozu der Aufwand? Doch Renko will sich damit nicht abfinden, denn warum sollte ein gesunder Mann plötzlich einen Herzinfarkt bekommen? Und woran arbeitete Pribluda eigentlich? Dass er nur Zuckerlieferungen im Tausch gegen Öl beaufsichtigen sollte, erscheint unwahrscheinlich. Wenig später schaut sich Renko in Pribludas Wohnung um, wo er plötzlich von seinem Dolmetscher mit einem Messer attackiert wird, der seinerseits von Renko erstochen wird, was dieser gegenüber der Polizei als Unglücksfall darstellt. Auch hier gibt es keine Ermittlungen. Da Renko durch den Übergriff seinen Flieger verpasst hat und die nächste Maschine erst in einer Woche startet, hat er Zeit sich in Havanna umzusehen. An seiner Seite die Criminalista Ofelia Osorio, die ihn misstrauisch betrachtet, denn schließlich ist Renko ein Russe und diese sind seit Kurzem alles andere als willkommen. Allerdings weiß auch Renko nicht, was er von der dunkelhäutigen Schönheit halten soll.  

Kuba in der speziellen Periode

Von wenigen Schlussseiten abgesehen spielt „Nacht in Havanna“ ausschließlich in der kubanischen Hauptstadt und dies Ende der 1990er Jahre. Die Revolution ist vorüber, Fidel Castro der uneingeschränkte Herrscher und Amerikaner wie Russen nur noch vereinzelt im Land. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks bleibt die russische Unterstützung für Kuba aus, weswegen Castro eine „spezielle Periode“ (auch bekannt als Sonderperiode) ausgerufen hat, mit anderen Worten ein rigides Sparprogramm. Für die Bevölkerung ändert sich wenig. Reis mit Bohnen ist das Standardgericht, viel mehr gibt es ohnehin nicht zu kaufen. Es sei denn, man ist Tourist oder hat die Taschen voller Dollar. So ist es kein Wunder, dass zahlreiche junge Frauen, oft noch Kinder auf dem Weg zum Teenager, ihre Körper reichen Touristen anbieten, um ihre Familien zu unterstützen. Ein ebenso dreckiges wie einträgliches Geschäft, dem Ofelia Osorio Einhalt zu gebieten versucht, was sie von ihren männlichen Kollegen unterscheidet. Diese drücken lieber die Augen zu und halten die Hände auf. Korruption ist weitverbreitet bis in die Spitzen des Staates.

Martin Cruz Smith hat erneut einen spannenden und actionreichen Krimi mit seinem weltbekannten Protagonisten (“Gorki Park“, der erste Fall für Arkadi Renko, spielt 1980 und ist ein Klassiker der Spannungsliteratur) vorgelegt, wobei er den Handlungsort auf Kuba verlegt hat. Land und Leute werden eindrucksvoll beschrieben, Havanna bietet die bildgewaltige Hintergrundkulisse. Eindringlicher werden der kubanische Lebensstil und das Land in einem Krimi selten beschrieben, Leser des kubanischen Krimiautors Leonardo Padura (aktuell erschienen: „Anständige Leute“) sind hier unbedingt richtig. Es soll zum Inhalt nicht zu viel vorweggenommen werden, allerdings erfordert die Lektüre eine gewisse Aufmerksamkeit. Wer auf welcher Seite steht und welche Rolle spielt ist nicht immer klar, zudem spielen auf Kuba Religion wie die Santeria oder die Abakua, ein Geheimbund, eine Rolle; ebenso wie die bereits erwähnte, allgegenwärtige Korruption und Kinderprostitution.

Eine Woche hat Renko Zeit, die Hintergründe für Pribludas Tod zu erforschen, wobei ihm mächtige Gegner im Weg stehen. Immerhin gewinnt er, wenngleich mit Verzögerung, mit Ofelia Osorio eine Verbündete, die ihm auch ein wenig von seiner Trauer um Irina nehmen kann.

  • Autor: Martin Cruz Smith
  • Titel: Nacht in Havanna
  • Originaltitel: Havana Bay. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Kristian Lutze
  • Verlag: Goldmann
  • Umfang: 414 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Juni 2001
  • ISBN: 3-442-44988-x

Wertung: 12/15 dpt


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