Ein merkwürdiger Auftrag
Von ihren zweiunddreißig Lebensjahren hat Delpha Wade die letzten vierzehn im Frauengefängnis von Gatesville verbracht. Seit fünf Monaten ist sie auf Bewährung frei und arbeitet für die Detektei von Tom Phelan, wo sie eigentlich als Sekretärin eingesetzt ist, allerdings mehr und mehr Recherchearbeiten übernimmt. Diese sind auch notwendig, denn ihr neuer Mandant ist äußerst seltsam. Xavier Bell, 75 Jahre alt, sucht kurz vor seinem Ableben seinen zwei Jahre jüngeren Bruder, mit dem er zuletzt vor vier Jahren einen kurzen Kontakt hatte. Damals nannte sich dieser Rodney Harris, aber ob dies immer noch so sei, wisse er nicht. Rodney habe sich aber in Beaumont ein Haus gekauft. Diese recht spärlichen Angaben und ein 45 Jahre altes, vergilbtes Foto sind die einzigen Hinweise, die Tom und Delpha erhalten.
Eine erste Spur führt nach New Orleans, wo die Brüder aufgewachsen sind. Also durchforscht Delpha alte Geburtenregister auf der Suche nach zwei Brüdern, die 1898 und 1900 zur Welt kamen, während Tom diejenigen Personen aufsucht, die in den letzten Jahren in der Stadt ein Haus gekauft haben. Mühsames Klinkenputzen, so richtig weiter geht es kaum. Zwischendurch werden noch kleinere Aufträge abgearbeitet, dann gibt es erste, vielversprechende Spuren. Allerdings stellt sich dabei heraus, dass es einen Xavier Bell gar nicht gibt. Und warum sollte sich sein Bruder vor ihm verstecken? Fast zu spät entdecken Tom und Delpha, dass einer der beiden Brüder möglicherweise ein Serienmörder ist.
Zweiter Fall für Delpha Wade
Der im Mai 2024 erschienene dritte Band der Delpha-Wade-Reihe „Der Auftrag der Zwillinge“ belegt im Juli den zweiten Platz der Krimibestenliste. Wenig verwunderlich, denn bereits der Serienauftakt „Ein Job für Delpha“ gewann mehrere Preise (Shamus Award, Dashiell Hammett Prize). Wie nicht anders zu erwarten, findet sich das aus dem Debüt bekannte Personaltableau weitgehend wieder. Da wären bei der Polizei Edouard Etienne „E. E.“ Guidry, Beaumonts Polizeichef und Toms Onkel, sowie Sergeant Fontenot, der nach einem dramatischen Todesfall versprach, dass Delpha dafür nicht belangt würde.
Im Finale von „Ein Job für Delpha“ tötet diese in Toms Büro einen Serienmörder in Notwehr (der zweite Band beginnt mit der Reinigung des Büros) und da sie bereits schon einmal wegen des gleichen Vergehens saß, scheint die Situation brenzlig zu werden. Allerdings gibt es mit Tom, nun ja, einen Zeugen sowie mit Miles Blankenship einen versierten Anwalt, so dass sich die beiden Protagonisten ganz auf ihren neuen Auftrag konzentrieren können. Derweil wohnt Delpha weiterhin im New Rosemont Retirement Hotel, in dem die bekannten Mitbewohner weiterhin vor dem Fernseher den Fortgang der Befragung von Präsident Nixon verfolgen. Die Watergate-Affäre drängt ihrem Höhepunkt entgegen. Willkommen im September 1973.
Sehr detailliert wird die mitunter eintönige Ermittlungs- sprich Recherchearbeit gezeigt, was natürlich auch ihrer Zeit und somit den damals sehr beschränkten (technischen) Möglichkeiten geschuldet ist. Der Plot hat einige Längen, ist sehr amerikanisch, was unter anderem an ausführlichen Beschreibungen eines Baseballspiels zu erkennen ist und dennoch mag man das Buch kaum aus der Hand legen. Lisa Sandlin hat einen packenden Schreibstil, der von den sympathischen Hauptfiguren getragen wird. Und wenn man aufmerksam liest, mag man an der einen oder anderen Stelle schon erahnen, dass da etwas Schlimmes passiert sein könnte.
Ruhige, klug erzählte Story.
- Autorin: Lisa Sandlin
- Titel: Family Business
- Originaltitel: Bird Boys. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andrea Stumpf
- Verlag: Suhrkamp
- Umfang: 357 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2020
- ISBN: 978-3-518-47028-2
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Wertung: 11/15 dpt