Aus dem Gefängnis in die Privatdetektei
Von ihren zweiunddreißig Lebensjahren hat Delpha Wade die letzten vierzehn im Frauengefängnis von Gatesville verbracht. Vorsätzliche Tötung, die man juristisch nicht wirklich als Notwehr durchgehen lassen konnte. Jetzt ist sie draußen und braucht dringend eine Wohnung und einen Job. Bewährungshelfer Joe Ford bittet seinen Freund Tom Phelan, Delpha zumindest ein Vorstellungsgespräch anzubieten, nachdem sie zuvor aufgrund ihrer Vorgeschichte zahlreiche Absagen erhalten hat. Phelan hat sich gerade mit einer Privatdetektei selbstständig gemacht und sucht eine Sekretärin, einen Job, den sich Delpha mit einigem Selbstbewusstsein sichert. Zudem erhält sie ein Zimmer im Hotel Rosemont, dass ihr die Besitzerin Calinda Blanchard gratis zur Verfügung stellt. Als Gegenleistung soll sich Delpha abends um die hundertjährige Tante Jessie kümmern, in deren Haus sich auch noch wertvoller Schmuck von Tiffany befinden müsste, sofern Calindas Cousine Ida, die mit Jessie zusammenwohnt, nicht schon schneller war.
Erste Aufträge lassen nicht lange auf sich warten. Mrs Toups macht sich Sorgen um ihren fünfzehnjährigen Sohn Ricky, der auf irgendwelche Abwege geraten ist, die Schule schwänzt und letzte Nacht nicht nach Hause kam. Kurz darauf findet Phelan dessen Cousin schwer verletzt im Krankenhaus. Ein weiterer Auftrag führt zu dem Anwalt Lloyd Elliott, der in eine fragwürdige Aktion seiner Firma Daughtry Petrochemical verwickelt war. Diese hatte eine neue Erfindung am Start, die jedoch an die Konkurrenzfirma Enroco verraten wurde. Lloyd übernahm den Fall und konnte einen Vergleich erwirken. Dieser Fall lässt Phelan im Folgenden nicht mehr los, dabei soll er eigentlich nur im Auftrag von Elliotts Frau, diesen beim Seitensprung erwischen, damit sie Fotos für ein Scheidungsverfahren erhält.
Wenig später überschlagen sich bei Delpha die Ereignisse im privaten Bereich. Sie lernt den deutlich jüngeren Isaac kennen und trifft bei einem Bootstripp auf ihren damaligen Peiniger. Rache mag ein schönes Gefühl sein, doch Delpha weiß, was sie auf jeden Fall nicht will: zurück ins Gefängnis.
Preisgekrönter Serienstart mit taffer Heldin
Der aktuelle, dritte Band der Delpha-Wade-Reihe „Der Auftrag der Zwillinge“ hat es auf Platz 2 der Krimibestenliste im Juli 2024 geschafft. Wenig verwunderlich, denn bereits der Serienauftakt „Ein Job für Delpha“ gewann mehrere Preise (Shamus Award, Dashiell Hammett Prize). Vorweg: Den Namen Lisa Sandlin sollte man sich als Krimifan merken.
Die Geschichte erzählt in zwei Erzählsträngen beziehungsweise wechselt zwischen Delpha und Phelan hin und her. Delpha recherchiert für ihren neuen Chef, kümmert sich um die Altenpflege und nimmt am Small Talk im Foyer des Hotel Rosemont teil, wo der Fernseher weite Teile des Geschehens bestimmt, denn gerade läuft die Anhörung von Präsident Nixon im Watergate-Untersuchungsausschuss.
Willkommen in Beaumont, Texas, im Jahr 1973. Delpha könnte sich glücklich schätzen. Ein Job, eine Wohnung, einen neuen Freund und so weiter. Doch leider läuft das Leben nun einmal anders und es geschehen immer wieder Dinge, die gar nicht so schön sind. Für Phelan gilt dies ebenfalls. Erste Aufträge, erstes Einkommen mit der neuen Detektei, eine geglückte Wahl mit Delpha und dennoch läuft es unrund. Die Sache mit Ricky will nicht zum Abschluss kommen und auch der zwischenzeitlich gelöste Fall „Elliott“, die Beweisfotos sind gemacht, lässt ihn nicht los. Was war da eigentlich los bei Daughtry gegen Enrolo? Warum ein Vergleich statt einer Klage wegen Industriespionage? Zudem mehren sich Zweifel, ob Elliotts Frau wirklich die Auftraggeberin war.
Meisterhaft erzählt Lisa Sandlin ihre kleinen Geschichten, bei denen man sich lange fragt, wo denn hier der preisgekrönte Clou liegen soll. Rund hundert Seiten vor Schluss dann die Antwort. Auf wundersame Weise greifen alle Handlungsstränge ineinander und, ach ja, einen Serienmörder gibt es auch noch. Zwar wird dieser auf dem Buchrücken erwähnt, aber bis zu seiner Entdeckung hat man schon lange nicht mehr an ihn gedacht. Ein überaus gelungener Serienauftakt. Wer ausgefallene Plots noch dazu mit starken Frauenfiguren mag, greift hier zur passenden Lektüre.
- Autorin: Lisa Sandlin
- Titel: Ein Job für Delpha
- Originaltitel: The Do-Right Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andrea Stumpf
- Verlag: Suhrkamp
- Umfang: 350 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Juli 2021
- ISBN: 978-3-518-46779-4
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Wertung: 12/15 dpt