Büchermenschen gegen Rechts – Interview mit Barbara Miklaw (Mirabilis Verlag)


Mir sind im Verlag Bücher wichtig, die für Humanismus und Toleranz stehen, die aus dem Leben von ganz verschiedenen Menschen erzählen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Ereignisse.

 

Booknerds: Liebe Barbara, vielen Dank, dass du an unserer Büchermenschen gegen Rechts-Reihe teilnimmst. Du bist ein solcher Büchermensch at it’s best. Du bist Verlegerin. 2011 hast du mit dem Mirabilis Verlag einen eigenen Verlag gegründet. Mit diesem bist du mitten in Sachsen, im Landkreis Meißen, zu Hause. Die Bücher, die du machst, sind jedoch keine regionale Literatur. Hättest du es da nicht leichter in einer gut vernetzten Großstadt mit vermeintlich weltoffenem Publikum direkt vor der Tür als auf dem abgelegenen Land? Oder sind das Klischees?

Barabara Miklaw: Hm ja, es wäre schon nett, einfach vor die Tür zu gehen und direkt Bücher in eine schöne Buchhandlung um die Ecke zu bringen, für den Verkauf und für Lesungen. Andererseits bin ich in vierzig Minuten in Dresden, in zwei Stunden in Berlin, in einer Stunde in Leipzig – allerdings mit dem Auto, sonst wäre es etwas schwierig. An Information und Vernetzung fehlt es aber auch auf dem Land nicht und wer weltoffen sein möchte, kann das auch außerhalb der großen Städte sein – auch wenn dort mehr bunte Welt direkt vor der Tür zu finden ist. Dafür schaue ich aus dem Verlagsbüro direkt ins Grüne und habe viel Ruhe zum Arbeiten. Hier spricht man miteinander, und wenn jemand in Not ist, wird ganz selbstverständlich geholfen. Meine Kinder sind zusammen mit anderen Kindern aus der weiteren Nachbarschaft aufgewachsen, wobei die größeren auf die kleineren aufgepasst haben. Auch das hat dazu geführt, dass sie sehr soziale, freundliche Menschen sind. – Ich lebe wirklich gern hier zwischen Streuobstwiesen und in der Nähe des schönen Elbtals mit seinen Weinbergen.
Regionalia habe ich allerdings tatsächlich eher nicht im Programm. Die Verlagsbücher suche ich in erster Linie danach aus, was thematisch, konzeptionell und sprachlich zu mir bzw. zum Verlag passt und mich begeistert – und so kommt es, dass meine Autorinnen und Autoren aus dem ganzen Bundesgebiet stammen. Das empfinde ich auch als eine große persönliche Bereicherung – viele ganz verschiedene kluge, schreibende Menschen aus ganz unterschiedlichen Regionen kennenlernen zu dürfen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Und ich habe sogar ein aus dem Lettischen übersetztes Kinderbuch im Programm: „Der kleine Dichter und der Duft“ von Lote Vilma Vītiņa aus Riga, ein ganz bezauberndes Buch mit Erdbeerduft im Vorsatzpapier.

Booknerds: In deinem Verlagsprogramm sind Titel, die die jüngste Geschichte, also die DDR-Zeit, reflektieren, ebenso wie Titel, die sich an sehr aktuellen Themen orientieren. Ich denke da z.B. an „Das Warten auf Leben“, in dem der Künstler Moussa Mbarek über die Probleme spricht, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Womit wir mitten drin sind in einem Themenspektrum, das die AfD und die Extreme Rechten derzeit vereinnahmt und für ihre Diskursverschiebung nach Rechts  instrumentalisiert. Wie erlebst du aktuell die Stimmung in deiner Heimatregion?

Barbara Miklaw: Das Ergebnis der Europawahlen hier in Sachsen kam nicht ganz unerwartet, war aber dennoch erschreckend. Ich glaube – und höre in Gesprächen -, dass viele Menschen, gerade auf dem Land, in der Landwirtschaft, mit der aktuellen Bundespolitik nicht zufrieden und zumindest zum Teil auch unsicher sind, wen oder was sie wählen sollen, wer ihre sozialen und wirtschaftlichen Interessen und Probleme am besten versteht. Bei der Wahl der Gemeinderäte in der Umgebung sah das schon anders aus – da kennt man die Kandidaten persönlich und weiß, wer die Interessen der Region am besten vertreten kann. Die meisten Gewählten (so weit ich das überblicken kann) gehören parteiunabhängigen Wählervereinigungen an. Dennoch hatte auch hier die AfD viele Stimmen.

Mir sind im Verlag Bücher wichtig, die für Humanismus und Toleranz stehen, die aus dem Leben von ganz verschiedenen Menschen erzählen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Ereignisse. Dazu gehören Romane wie „Nur einmal mit den Vögeln ziehn“ von Sylvia Frank, ein Buch über das Aufwachsen Jugendlicher in der DDR, ebenso wie die autofiktionalen Momentaufnahmen „Inside Underdog“ von Iris Antonia Kogler. Ein kleines, aber starkes Buch, das die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt von einer ganz anderen, ungewohnten Seite beleuchtet. Und ich habe ein Faible für die Verbindung von Kunst und Literatur. Das erwähnte Buch von Moussa Mbarek mit Abbildungen seiner berührenden künstlerischen Arbeiten und der Erzählung von Yvonn Spauschus war mir wichtig, Florian L. Arnolds Romane und Novellen mit seinen eingebundenen Grafiken ebenso. Sein Roman „Pirina“ zum Beispiel erzählt fiktiv das Leben zweier Geflüchteter, die ihre Heimat und die Familie verloren haben, und Halt aneinander finden. Oder Riccarda Gleichaufs Kinderbuch „Nilgül und Hausen“ – ein Plädoyer für Akzeptanz und ein freundliches Miteinander. (Eigentlich würde ich jetzt am liebsten zu jedem Verlagsbuch etwas schreiben … Wie viel Platz habe ich …?)

Booknerds: Wie reagieren die Verlagsbranche und die Kreativen in deinem Umfeld derzeit auf die demokratiefeindliche Entwicklung? Gibt es konkrete Initiativen, um die Menschen zu mobilisieren?

Barbara Miklaw:  Gerade im Frühjahr gab es einige Demonstrationen in Dresden, Meißen und Umgebung für Demokratie und Menschenrechte, gegen Gewalt. Und besonders stark waren die einheitlich verurteilenden Reaktionen nach dem Angriff auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke in Dresden, der beim Anbringen von Wahlplakaten schwer verletzt wurde. – Es gibt etliche verschiedene Initiativen für Demokratie und ein tolerantes Sachsen, zum Beispiel die „Initiative für Gemeinschaft – Demokratie braucht alle“, ins Leben gerufen von Architekten und Ingenieuren der Umgebung mit dem Motto: Zusammen für Vielfalt und Menschlichkeit.

Booknerds: Fühlst du dich als Verlegerin in einer besonderen Verantwortung?

Barbara Miklaw: Ja, natürlich habe ich eine Verantwortung für die Bücher, die in meinem Verlag erscheinen. Eben deshalb ist es mir wichtig, Bücher herauszugeben, die nicht nur äußerlich schön sind, sondern auch inhaltlich gesellschaftlich wichtige Themen aufgreifen und den Lesern nahebringen.

Booknerds: Hast du konkrete Befürchtungen, wie sich deine Arbeit verändern könnte, käme es zu einer AfD-Regierung in Sachsen?

Barbara Miklaw: Die Förderung der Kultur spielt in Sachsen generell eine große Rolle. Gerade in den letzten Jahren hat der Freistaat einiges für die Kultur, auch Literatur, getan, u. a. mit der Kulturstiftung des Freistaates, den Initiativen „Kreatives Sachsen“ und „So geht sächsisch“, und nicht zuletzt mit dem Sächsischen Verlagspreis, der seit 2022 nicht mehr nur an einen einzigen herausragenden Verlag verliehen wird. Ich war jedenfalls sehr glücklich, dass wir 2022 zu den Preisträgern gehörten. Zudem gehört die wichtige Leipziger Buchmesse zu Sachsen. Wie sich die Arbeit unabhängiger Verlage unter einer AfD-Regierung in Sachsen konkret ändern könnte, ist schwer einzuschätzen. Katastrophal wäre eine Kulturpolitik mit Zensur von Kunst und Literatur, eine Beschränkung der Freiheit von Kunst und Wissenschaft und des kulturellen Lebens überhaupt.

Booknerds: Hast du wegen deiner Verlagsarbeit schon einmal Repressalien erleben müssen?

Barbara Miklaw: Nein.

Booknerds: Was erwartest du von deinen Kolleg:innen aus der Branche? Egal ob aus Ost oder West?

Barbara Miklaw: Zusammenhalt, Solidarität, eine gute und kollegiale Zusammenarbeit, unbedingt auch in Netzwerken – wie im Freundeskreis der Kurt Wolff Stiftung, dem Netzwerk Schöne Bücher oder bei den BücherFrauen. Gemeinsam und im gegenseitigen Austausch geht alles besser, zumal es kleine unabhängige Verlage wirtschaftlich meist nicht gerade leicht haben und von Anregungen oder gemeinsamen Projekten profitieren können. Das Buch „Inside Underdog“ beispielsweise erschien in der „Bibliothek Schöne Bücher“, einer Netzwerkinitiative von Jens Korch (Wannenbuch und Paperento Verlag Chemnitz): zehn Verlage, zehn Bücher unterschiedlicher Genres in gleicher Ausstattung. Wir bereiten auch gerade zum zweiten Mal einen gemeinsamen Auftritt des Netzwerks Schöne Bücher auf der Frankfurter Buchmesse vor. Da fragt niemand, ob Ost oder West – es sei denn, es geht um die räumliche Entfernung, wenn wir uns zum gemeinsamen Versand der Verlagsvorschauen treffen.

Booknerds: In Meißen fand Mitte Juni zum 15. Mal ein Literaturfest statt. Es gilt als das größte eintrittsfreie Open-Air-Lesefest in Deutschland. Du bist mit dem Mirabilis Verlag ein fester Teil der Veranstaltung. Wie sehr hat sich die aktuelle Lage auf die Programmgestaltung, die Organisation oder auch sonst ausgewirkt?

Barbara Miklaw: Eher nicht. Das Literaturfest Meißen steht unter dem Motto „Lesen und lesen lassen“ und war auch dieses Jahr wieder ganz wunderbar und ein großer Erfolg mit vier Open-Air-Bühnen sowie etwa 35 weiteren Leseorten in der ganzen Altstadt, mit insgesamt mehr als 100 Lesungen und ca. 15.000 Gästen. Wichtig ist, dass das Literaturfest ein Ort friedlicher Begegnung ist. Im Vordergrund steht die gemeinsame Freude an Büchern, am Lesen, an guten Begegnungen und Gesprächen. Und das ist auch in diesem Jahr wieder gut gelungen – auch mit ganz unterschiedlichen Themen und Akteuren. Am besten, Ihr schaut mal ins Programm auf der Seite des Literaturfestes: https://literaturfest-meissen.de. Ich bin sehr gern im Organisationsteam, in dem viele Menschen ehrenamtlich großartige Arbeit leisten, allen voran Daniel Bahrmann und Maria Fagerlund.

Booknerds: Ohne auf eine Frage antworten zu müssen, was liegt dir zu diesem Thema am Herzen? Was möchtest du den booknerds, die das lesen, mitgeben?

Barbara Miklaw: Liebe booknerds, tausend Dank für Euer wunderbares Engagement für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit, für die Literatur und für Büchermenschen!!

 

Das Gespräch führte Britta Röder.

 

 

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