Charlotte Brontë hat 1847 mit “Jane Eyre. Eine Autobiographie” einen Klassiker erschaffen, der sich bis heute großer Beliebtheit erfreut und häufig adaptiert wurde.
Eine Adaption aber, die die Kernelemente (Waisenmädchen wächst in Heim auf und findet eine Anstellung bei gruselig faszinierendem Mann) mit Fantasy bzw. irischen Mythen und Jugendbuch verknüpft, hatte ich noch nicht gesehen, weswegen mich “Jane und die Geheimnisse von Branwell Hall” besonders gereizt hat.
Mechthild Gläser schickt uns ins Irland der Gegenwart, genauer ins kleine Dorf Thornfield, wo die junge Jane die verfallene Hütte ihrer Großmutter geerbt hat. Sie sucht sich eine Stelle als Aupair einer wohlhabenden Familie im Dorf und möchte in Irland ein neues Leben beginnen. In dem Anwesen der Familie scheint es aber nicht mit rechten Dingen zuzugehen: die kleine Audrey hat furchtbare Albträume, überall wächst Weißdorn und sprießen Seerosen aus Pfützen, die Dorfbewohner sind entsetzlich abergläubisch, Audreys älterer Bruder Liam regelt die Familiengeschäfte und ist ein arroganter Pinsel und wo sind eigentlich die Eltern der beiden?
Dadurch, dass die Autorin für manche Charaktere die gleichen Namen wie in “Jane Eyre” verwendet, ist die Rollenverteilung für alle, die das Original gelesen haben, recht eindeutig. Die kleine Audrey wächst Jane schnell ans Herz, die sehr schöne, aber irgendwie böse Blanche baggert an Liam herum und piesackt Jane und Liam lädt gerne Freunde zu ausufernden Parties in sein Haus ein. Ein großer (sehr lobenswerter) Unterschied: Liam ist vielleicht ein wenig arrogant, aber die Beziehung zwischen ihm und Jane ist bei weitem nicht so toxisch wie die zwischen Jane und Mr. Rochester bei Bronte.
Aber auch ohne die Vorlage zu kennen waren viele der “Geheimnisse von Branwell Hall” recht leicht zu erraten und zu enträtseln und ich habe mich gefühlt, als wäre ich Jane immer einen Schritt voraus. Schön fand ich das Einweben der irischen Mythen, hätte mir davon aber mehr gewünscht. Genauso wie von der Freundschaft zwischen Jane und der toughen Kneipenwirtin aus dem Dorf oder von typisch-irischer Atmosphäre. Am Romance-Plot hätte man dafür meinetwegen ein wenig sparen können. Letztendlich ist das aber wohl auch dem Alter der Zielgruppe geschuldet.
Insgesamt eine nette Adaption für zwischendurch, die die charakteristischen Längen des Originals ausspart und somit vermutlich auch eine jüngere Leserschaft eher anspricht.
- Autor: Mechthild Gläser
- Titel: Jane und die Geheimnisse von Branwell Hall
- Verlag: Loewe
- Erschienen: 2024
- Einband: Klappenbroschur
- Seiten: 400
- ISBN: 978-3-7432-1767-6
- Sonstige Informationen:
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 8/15 dpt