Christine Brand – Vermisst – Der Fall Anna (Buch)


Mainstream-Pageturner vom Feinsten

Malou. Ende dreißig, kurze rote Haare, Lippenpiercing. Eine Kommissarin der Kantonspolizei Bern dürften sich viele anders vorstellen. Auch sonst ist sie etwas ungewöhnlich. Bruna heißt ihre Vespa, Frederick ihr Chamäleon und eigensinnig ist sie obendrein. Gelegentlich begleitet sie den Friedhofsgärtner Ludwig, wenn es keine Angehörigen bei einer Beerdigung gibt. Dann spricht sie ein paar letzte Worte, so wie es zeitlebens ihr inzwischen dementer Vater getan hat. Als ein Pressefotograf sie jedoch heimlich ablichtet, während sie bei einer ultrakurzen Beerdigung eines Attentäters spricht und sie prompt am nächsten Tag in der Zeitung steht, entschließt sich ihr Chef Sandro Bandini, Malou vorübergehend zu suspendieren, um nicht weiteren Staub aufzuwirbeln.

Malou ist dementsprechend frustriert, jedoch könnte ein Tinder-Date vorübergehend helfen. So lernt sie den dreißigjährigen Dario kennen, der ihr eine atemberaubende Geschichte erzählt. An seinem fünften Geburtstag verschwand dessen Mutter Anna, von der bis heute jede Spur fehlt. Allerdings erhält er jedes Jahr an seinem Geburtstag eine Karte mit den Worten „Mama hat dich lieb“. Die Frage, ob Anna noch leben könnte, beschäftigt ihn immer mehr und so entschließt er sich, nach Drängen von Malou, einen Internetaufruf zu posten. Auf diesem Weg lernt er Isabel aus München kennen, deren Mutter ebenfalls an ihrem fünften Geburtstag verschwand. Auch Isabel erhält jedes Jahr eine Glückwunschkarte mit dem Text „Mama hat dich lieb“.

Cliffhanger-Festival

Christine Brand, Bestsellerautorin aus der Schweiz, dürfte vielen Krimifans durch ihre Milla-Nova-Reihe bekannt sein. Milla ist Journalistin, Freundin von Malous Chef Sandro und hat in dem vorliegenden Roman zwei Miniauftritte. Selbst Sandro ist eine Randfigur, denn Malou ist von Darios Geschichte derart fasziniert, dass sie sich kurzerhand ein paar Urlaubstage nimmt, um ihn bei seiner Suche zu unterstützen. Die Geschichte wird in der dritten Person erzählt und wechselt zwischen den beiden Protagonisten Malou und Dario hin und her. Dreißig Jahre liegt Annas Verschwinden zurück, eine mögliche Straftat, ergo ihre Ermordung, ist nach Schweizer Recht verjährt, so dass nicht offiziell ermittelt werden kann. Daher der Urlaub, was womöglich auch an dem attraktiven Dario liegt, der sich umgehend in Malou verliebt.

Die Geschichte spielt ganz überwiegend in der Stadt an der Aare und ist ein Hochgeschwindigkeitsthriller vom Feinsten, wenn man derartige Plots mag. Die Geschichte, die sich Brand ausgedacht hat, entwickelt sich zu einer haarsträubenden Erzählung, bei der einem spontan der bekannte Spruch einfällt: „Das kannst Du Dir nicht ausdenken.“ Ja, man mag kritisieren, dass der Plot nahezu vollkommen unglaubwürdig ist, aber es ist halt ein Roman und da darf man eben seiner Fantasie freien Lauf lassen. Wer mit Autoren wie Fitzek und Co. keine Probleme hat, ist hier richtig. Ein Logik-Fanatiker hingegen eher weniger, wobei die Geschichte in sich – nun ja – stimmig ist.

Der im Buchhandel inflationär genutzte Aufkleber „Spiegel-Bestseller“ trifft im vorliegenden Fall sicher zu, denn der Plot ist ein Mainstream-Pageturner, wie man ihn selten liest und zugleich ein beeindruckendes Cliffhanger-Festival. Nahezu jedes der insgesamt dreiundsiebzig Kapitel zuzüglich des Epilogs warten mit einem fulminanten Cliffhanger auf. Dario und Malou verstehen bald die Welt nicht mehr und den Lesern geht es nicht anders. Unglaubliche Ereignisse und Wendungen, grandiose Blindspuren und ein treibendes Erzähltempo bieten kriminelle Hochspannung. Kleiner Spoiler: Die Auflösung ist ebenso unvorhersehbar wie wahnwitzig. Klasse Serienstart!

  • Autorin: Christine Brand
  • Titel: Vermisst – Der Fall Anna
  • Verlag: Blanvalet
  • Umfang: 544 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: April 2024
  • ISBN: 978-3-7645-0828-9
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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