Büchermenschen gegen Rechts – Auftakt unserer Interviewreihe


Leute, wir müssen dringend reden! Wir, die wir Bücher lieben, lesen, schreiben, veröffentlichen, verkaufen und rezensieren, wir wissen unbedingt, wie wichtig Sprache ist. Sprache ist für uns mehr als nur eine persönliche Liebesgeschichte. Mehr als nur der Stoff, aus dem unsere Bücher sind. Sprache ist für uns alle das wichtigste Instrument zur Kommunikation.

Ohne Kommunikation kann es kein friedliches Miteinander geben. Darum braucht unsere Demokratie eine echte, ehrliche, offene und faire Kommunikation. Genau diese Form der Kommunikation gerät jedoch zunehmend in Gefahr. Täglich erleben wir, nicht nur in den sozialen Medien, Populismus, Hetze, Hatespeech, Diskriminierung jeglicher Art, das Verbreiten von Fakenews, menschenverachtende Positionen, Gewaltverherrlichung und so weiter und so weiter.

Die Diskursverschiebung durch die Extreme Rechte, die immer stärker die Medien und den gesellschaftlichen Dialog durchdringt, stellt längst eine konkrete Gefährdung der freiheitlichen Demokratie dar. Dieser Prozess verläuft schleichend. Das Ausmaß der Gefahr ist nicht immer auf den ersten Blick sichtbar.

Die Sprache der Extremen Rechten ist darauf ausgerichtet, vernünftige Dialoge zu sprengen. Ihr Ziel ist es, die Gesellschaft zu spalten.

Umso wichtiger ist es, darüber zu reden, wie wir ganz konkret mit der Sprache der Extremen Rechten umgehen. Wie wir den Schaden, den diese Sprache anrichten will, aktiv eingrenzen.

Die Sprache der Extremen Rechten ist darauf ausgerichtet, vernünftige Dialoge zu sprengen. Ihr Ziel ist es, die Gesellschaft zu spalten. Darum: Lasst uns auch andere sensibilisieren, damit sie die Merkmale diskriminierender Sprache erkennen. Denn wenn wir uns erst einmal an die Ausdrucksweise rechtspopulistischer Sprache gewöhnt haben, werden uns auch die inhaltlichen Grundrechtsverletzungen immer weniger auffallen.

Mit „Büchermenschen gegen Rechts“ möchten wir Booknerds dieser Entwicklung etwas entgegensetzen. Während der letzten Wochen haben wir mit zahlreichen engagierten Büchermenschen über dieses Thema gesprochen. Die Ergebnisse dieses Austauschs möchten wir mit euch teilen.

Wie ein Skandal in den Sozialen Medien zur Initialzündung für diese Interview-Reihe wurde


Die Idee stand schon länger im Raum, die Initialzündung erhielt das Projekts allerdings erst Anfang 2024 mit dem Skandal um den Piper-Verlag, der von den Sozialen Medien Instagram und X (vormals Twitter) ausging und sogar in einem Gerichtsprozess mündete.

Was war passiert?

Die bekannte Kabarettistin Monika Gruber und der Journalist und Autor Andreas Hock hatten im Piper Verlag ein Buch unter dem Titel „Willkommen im falschen Film“ veröffentlicht. Inhalt und politischer Standpunkt von Gruber und Hock werden durch den Klappentext gut auf den Punkt gebracht. Dieser lautet:

„Egal, ob grüne Wärmepumpenfetischisten und verblendete Woke-Aktivisten, notorische PS-Protzer und ideologisierte Lehrer, besserwisserische Medienmacher und weltfremde Politiker: hier bekommt jeder sein Fett weg, der den gesunden Menschenverstand gegen Hysterie oder ein paar Gendersternchen eingetauscht hat.“

Dass das Satire-Buch reichhaltig rechten Populismus verbreitet, mag zwar viele stören, reicht für einen Skandal natürlich nicht aus. Trotz aller diskriminierender Klischees, die in diesem Buch humoristisch vervielfältigt werden, bewegt sich der Inhalt in legalen, von der Meinungsfreiheit geschützten Grenzen. Trotzdem wurde eine ganz bestimmte Passage im Buch Anlass zum Streit:

Gruber/Hock hatten in ihrem Text ungefragt eine Privatperson mit deren Klarnamen genannt und verspottet. Es ging um Roma M., die als Nutzerin auf X in einem Tweet vor der Unterwanderung rechtsextremer Frauen in die textile Hobbyszene gewarnt hatte. Damit hatte sie auf einen Trend hingewiesen, den auch schon das Amt für politische Bildung längst als gefährlich ausgewiesen hatte. Gruber/Hock, die solche Warnungen lächerlich finden, machten sich lustig. Dabei bezogen sie sich jedoch nicht allein auf den Inhalt des Tweets, sondern nahmen die Privatperson dahinter ins Visier. Sie beleidigten und diffamieren die nicht prominente Frau, unter Bezugnahme auf deren Migrationshintergrund mit Nennung ihres echten Namens. Die Betroffene wehrte sich und klagte.

Es kam zum Rechtsstreit und einer Entscheidung, die dem Verlag und dem Autorenteam Recht gab. Der Text von Gruber/Hock, so die Begründung, müsse als Satire betrachtet werden und sei daher durch das Recht auf Meinungs- und Kunstfreiheit geschützt. Dieses stehe über dem Persönlichkeitsrecht der klagenden Geschädigten. Denn Roma M. hatte die sozialen Medien unter Nennung ihres Klarnamens genutzt und damit selbst auf Anonymität verzichtet bzw. auf Verbreitung ihres Statements inklusive Nennung ihres Namens hingewirkt.

Die juristische Bewertung dieses Urteils soll den Jurist:innen vorbehalten bleiben.
Über die Auswirkungen einer solchen Rechtsprechung sollte man jedoch unbedingt sprechen.

Der Anwalt von Monika Gruber argumentierte öffentlich, Satire dürfe überspitzen, ins Lächerliche ziehen und anprangern und damit erst recht öffentlich geäußerten Positionen den Spiegel vorhalten. “Wer das nicht erträgt, sollte den öffentlichen Diskurs schlichtweg meiden.”

Anders formuliert: Wer nicht erträgt, öffentlich (also z.B. mit Nennung seines Namens in einem Buch in Bestseller-Auflage) bloßgestellt zu werden, der sollte doch lieber im öffentlichen Diskurs schweigen. Hier wird überhaupt nicht unterschieden, zwischen der „Öffentlichkeit“, die ein Verlag mit einem Buch in hunderttausendfacher Auflage erreicht oder der „Öffentlichkeit“ einer prominenten Kabarettistin mit TV-Auftritten, und der freien Meinungsäußerung einer Privatperson im öffentlichen Raum, wie ihn die sozialen Medien z.B. bei Facebook oder Instagram bieten, die in der Regel (und so war es auch in diesem Fall) von einigen Hundert andere Nutzer:innen gelesen wird.

Das Signal, das dieses Urteil aussendet, lautet also:
Wer Kritik übt an rechtsextremen Kreisen sollte dies lieber anonym tun oder muss aushalten können, eben genau diesen rechtsextremen Kreisen namentlich ausgeliefert zu werden, mit allen bedrohlichen Konsequenzen, die das bekanntermaßen beinhaltet. Oder er soll lieber schweigen. Genau dies entspricht der Kommunikationsstrategie der extremen Rechten. Die Gegenseite einschüchtern. Munddtot machen. Zum Schweigen bringen.

Das vom Piper Verlag veröffentlichte Buch ist nicht rechtsextrem. Aber es fördert die von der Extremen Rechten vorangetriebene Diskursverschiebung durch populistisches Vokabular. Es macht sich über die Warnung vor rechtsextremen Tendenzen lustig, wodurch es eben diese rechtsextremen Tendenzen verharmlost. Natürlich darf man das. Man darf es übertrieben finden, wenn Menschen vor Rechtsextremismus warnen. Aber man sollte sich bewusst machen, wem man dadurch vor allem nutzt.

Die Diskursverschiebung hat längst Einzug in die Unterhaltungsbranche, und damit auch in den Literaturbetrieb, gefunden. Populistisches Vokabular taucht in Bereichen auf, die uns harmlos erscheinen, weil wir sie als seriös verorten.

Der Fall macht Folgendes deutlich: Die Diskursverschiebung hat längst Einzug in die Unterhaltungsbranche, und damit auch in den Literaturbetrieb, gefunden. Populistisches Vokabular taucht in Bereichen auf, die uns harmlos erscheinen, weil wir sie als seriös verorten. Der Piper Verlag steht für eine breite Vielfalt an Themen und ist kein rechter Verlag.

Wir finden daher, es ist höchste Zeit, über die Gefahren zu reden, die sich in der Buchbranche zunehmend abzeichnen. Also reden wir. Laut und deutlich. Und vor allem sachlich. Wir lassen uns nicht auf das Niveau herab, auf das die Populisten unsere Kommunikation ziehen wollen.

Fühlt euch eingeladen, mit uns und anderen über die Diskursverschiebung zu sprechen! Seid mit uns ein Teil der Büchermenschen gegen Rechts.

Das erste Gespräch mit Roma Maria Mukherjee folgt im nächsten Beitrag.


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