Leigh Bardugo – Der Vertraute (Buch)


Spätestens seit Leigh Bardugos Büchern über das Grishaverse und die Krähen-Diologie war ich Fan. Dementsprechend war ihr neues Buch, mit dem sie einen Ausflug ins historische Romangenre wagt und sich von der fantastischen Jugendliteratur entfernt, eine Pflichtlektüre für mich. Auf Fantasyinhalte bzw. eine Menge magischen Realismus wird aber auch bei diesem Buch mit erwachsener Zielgruppe nicht verzichtet. 

In “Der Vertraute” begleiten wir Luzia, die im Spanien des 15. Jahrhunderts, zur Zeit der Inquisition als Küchenmagd lebt. Um sich den harten Alltag zu erleichtern nutzt sie sogenannte Refranes, gesungene Sprichwörter, die mittels ihrer Magie zum Beispiel verbranntes Brot wieder genießbar machen oder Gemüse vermehren. In Zeiten,  zu denen man schneller auf dem Scheiterhaufen landete, als man “Hexe”sagen konnte, ein nicht ungefährliches Unterfangen. Als Luzias macht- und anerkennungshungrige Herrin davon Wind bekommt und durch ihre Zurschaustellung letztendlich der in Ungnade gefallene Sekretär des Königs seine Chance wittert, beginnt für Luzia ein Spiel um ihr Leben, voller Intrigen und undurchsichtigen Machenschaften. Auf Unterstützung kann sie dabei nur durch den unheimlichen Santangél hoffen. Oder nicht? 

Klingt soweit spannend. War es aber leider die Hälfte des Buches überhaupt nicht. 

Leigh Bardugo hat, wie aus der Anmerkung und Danksagung hinten im Buch hervorgeht, unfassbar viel historisch und sprachwissenschaftlich recherchiert und stellt die Begebenheiten des 15. Jahrhunderts sicherlich gut dar. Leider geht dies auf den ersten 250 Seiten aber auf Kosten des Spannungsaufbaus und auch Atmosphäre stellte sich für mich (erstmal) keine ein. Im Gegenteil: die erste Hälfte des Buches empfand ich als furchtbar langweilig. Jetzt kann dies daran liegen, dass die Zeit der Inquisition allgemein nicht meine bevorzugte geschichtliche Epoche ist. Jedoch wurden zusätzlich noch Aspekte in der Geschichte, die durchaus für Spannung hätten sorgen können, eher stiefmütterlich behandelt. 

Auch der romantische Aspekt von “gruseliger Typ” hin zu Luzias “love interest” entwickelte sich für mich zu schnell und zu wenig nachvollziehbar. Ich hätte mir da etwas mehr Reflexion der eigenen Gefühle bei Luzia gewünscht, bevor die beiden miteinander anbandeln.

Ab der zweiten Hälfte konnte ich dann glücklicherweise wiedererkennen, wofür ich Leigh Bardugo als Autorin so schätze: Spannung, Atmosphäre, Sprachwitz, herzzerreißende Liebesgeschichte (die selbst eine Anti-Romantikerin wie mich weich macht), toll ausgearbeitete Charaktere und Dynamik zwischen ihnen und spicy Szenen, die nicht den Eindruck eines billig produzierten Pornos machen, sondern mit Metaphern und Atmosphäre spielen. Und ein Easter-Egg bezogen auf eine Geschichte in der Geschichte.

Das Ende wiederum sorgte nicht für Klarheit, sondern ließ mich recht unbefriedigt mit neuen Fragen zurück. Verzeihen könnte ich diesen Aspekt, wenn es nicht bei einem Einzelband bleiben würde, sondern Bardugo eine Fortsetzung plant. Denn obwohl ich wirklich große Schwierigkeiten hatte, ins Buch reinzukommen, würde ich mir diese wohl nicht entgehen lassen. 

Letztendlich war “Der Vertraute” kein schlechtes Buch, hatte für mich aber einige vermeidbare Schwächen. Möglicherweise haben Leser*innen mit einem Faible für langsam erzählte historische Romane des 15. Jahrhunderts da weniger Schwierigkeiten als ich. Vielleicht waren meine Erwartungen aber auch einfach zu hoch und unpassend für dieses Genre.

  • Autor: Leigh Bardugo
  • Titel: Der Vertraute
  • Originaltitel: The Familiar
  • Übersetzer: Alexandra Jordan & Sara Riffel
  • Verlag: Knaur
  • Erschienen: 2024
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 448
  • ISBN: 978-3-426-28477-3
  • Sonstige Informationen:
  • Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 8/15 dpt


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