Georg Bönisch – Tatort Köln – True Crime 1074 bis 1894 (Buch)


Kriminelle Energie im Lauf der Jahrhunderte

In sechzehn Kapiteln beschäftigt sich der Buchautor und frühere Journalist Georg Bönisch mit kriminellen Ereignissen, die die Stadt Köln im Laufe ihrer Geschichte eingeholt haben. Der Untertitel „True Crime“ bedarf dabei allerdings einer fantasievollen Auslegung, denn in einem Fall geht es um die Exkommunizierung eines Polizeichefs, welcher das Kirchenrecht missachtete, in einem anderen Fall um die Frage, ob der Vorwurf des Klüngels den Tatbestand einer Beleidigung erfülle. Zudem wurde Heinrich Peter Bock, in Köln noch heute als „Maler Bock“ ein Begriff, wegen anhaltendem Müßiggang verurteilt. Gemalt hat er übrigens nie.

Anstatt Krawall zu machen, gingen die Studenten schnurstracks in die Kneipen – gaudeamus igitur!

Wie gesagt, unter „True Crime“ versteht man gemeinhin etwas Anderes, aber dessen ungeachtet gibt das vorliegende Buch (eine überarbeitete Neuauflage der bereits 1977 erschienenen Ausgabe) kurzweilig erzählte und interessante Einblicke in die Kölner Stadtgeschichte. Es ist vor allem viel zu erfahren über die Machtgefüge und deren Wechsel im Laufe der Jahrhunderte. So geht es im ersten von insgesamt sechzehn, durchgehend bebilderten Kapiteln um Erzbischof Anno II., der in Köln sehr unbeliebt war. Als er im April 1074 das Handelsschiff eines Kaufmanns beschlagnahmt, um damit einem seiner bischöflichen Besucher die Heimreise zu ermöglichen, kommt es zu einem Aufstand. Anno muss aus der Stadt fliehen, kehrt aber nur vier Tage später mit einer schlagkräftigen Truppe zurück und nimmt brutal Rache. Gleichwohl verschiebt sich erstmals das Machtgefüge weg von der Kirche hin zur reichen Oberschicht. Diese Entwicklung gipfelt rund zweihundert Jahre später in der bekannten Schlacht von Worringen (1288). Danach hat der unterlegene Erzbischof, Siegfried von Westerburg, die weltliche Herrschaft über die Stadt endgültig verloren.

Über die wechselnden Machtverhältnisse in der Domstadt

Um Einfluss und Macht wurde in Köln stets erbittert gekämpft. Aufstände und Intrigen gab es reichlich. Kirche gegen Ratspolitiker gegen Kaufleute gegen einfache Bürger. So handelt denn eines der längsten Kapitel über die Französische Revolution 1848, die sich auf Köln auswirkte, obwohl man dort eigentlich gerade Karneval feierte. Protagonisten auf Kölner Seite waren neben vielen anderen der Armenarzt Andreas Gottschalk sowie ein gewisser Karl Marx, der die Neue Rheinische Zeitung herausgab.

Ein weiterer Fall schildert das Schicksal der Katharina Henot, eigentlich Chefin der Postmeisterei, aber durch üble Unterstellungen als Hexe verunglimpft und schließlich zum Tode verurteilt. An solchen Stellen, wie auch bei der Revolution 1848 und anderen, ordnet der Autor die Geschehnisse in Köln in einen größeren Zusammenhang ein. So im Fall der Henot mit Bezügen auf die Hexenverfolgung im Mittelalter und Werke wie den „Hexenhammer“. Ein weiteres, düsteres Kapitel der Stadtgeschichte betrifft die Bartholomäusnacht vom 23. auf den 24. August 1349. Die Juden leben in einem geschlossenen Viertel am Alter Markt in direkter Umgebung des Rathauses. Bereits 1096 kam es zu einem ersten Pogrom, mindestens 300 Juden starben. 1349 ist die Stimmung einmal mehr aufgeheizt, es kommt zu einem erneuten Pogrom, der „Judenschlacht“, mit geschätzten 500 bis 1000 Toten. Reaktion der Stadtspitze? Fehlanzeige.

Ende der 1670er Jahre ist Köln Freie Reichsstadt. Korrupte Bürgermeister und reiche Patrizierfamilien prägen das Geschehen. Gegen die ausufernde Bestechlichkeit begehrt der Weinhändler Nikolaus Gülich auf, wird verhaftet, von einer einflussreichen Gaffel befreit und letztlich zum Machthaber Kölns. Dabei geht er mit unerbittlicher Härte vor, die ihn selbst bei seinen Anhängern in Misskredit bringt. Im Februar 1686 wird er hingerichtet.

Es geschehen also durchaus Morde und Verbrechen in diesem lesenswerten Bändchen, dessen zahlreiche Abbildungen den positiven Eindruck abrunden. Allein die Auswahl der „Geschichten aus der Geschichte“ muten als „True Crime“ teils seltsam an. Wer sich für die Kölner Stadtgeschichte interessiert sollte zugreifen.

  • Autor: Georg Bönisch
  • Titel: Tatort Köln – True Crime 1074 bis 1894
  • Verlag: Greven
  • Umfang: 176 Seiten, über 50 Abbildungen
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: März 2024 (Erstveröffentlichung 1977)
  • ISBN: 978-3-7743-0959-3
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


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