Jean-Luc Bannalec – Bretonische Nächte (Buch)

Wer schlug Inspektor Kadeg nieder?

Eine Elster, der Todesvogel laut uraltem keltischen Wissen, flog oft um das Abbaye des Anges, die Abtei der Engel, in der Joëlle Contel lebt. Als die Elster vor einer Woche gar gegen die Scheibe des Schlafzimmerfensters flog, war ihr klar, dass sie sterben würde. So erzählt es Inspektor Kadeg seinen Kollegen bei einem gemeinsamen Essen. Kommissar Georges Dupin hält von solchen Erzählungen wenig, genießt derweil lieber die Köstlichkeiten. In der Nacht wird er wegen eines vermeintlichen Einbruchsversuchs aus dem Bett geklingelt. Vor Ort erklärt ihm sein erster Inspektor Riwal, dass die neunundachtzigjährige Joëlle am späten Abend verstorben sei. Plötzlicher Herztod.

Am folgenden Morgen die nächste Hiobsbotschaft. Auf dem Gelände der Abtei wurde Kadeg niedergeschlagen und in ein Krankenhaus gebracht. Sein Zustand ist kritisch. Dupin fühlt sich angesichts des Angriffs auf seinen Mitarbeiter besonders gefordert und ermittelt vor Ort. Hat Kadeg womöglich einen Einbrecher aufgehalten? Doch Wertgegenstände gibt es in der Abtei nicht, vom Pinchon-Archiv abgesehen. Von den teils wertvollen Comic-Zeichnungen, die dort aufbewahrt werden, fehlt jedoch keine.

Der Spur des Geldes zu folgen ist bekanntlich immer sinnvoll. Die Erben sind die vier Geschwister von Joëlle sowie deren Neffe Kadeg. Joëlles Schwester Rozenn Gautier und deren Bruder Victor Contel geraten in den engeren Kreis der Verdächtigen. Rozenn, Ornithologin, war womöglich einer besonders seltenen Vogelart auf der Spur. Eine Entdeckung würde ihr wissenschaftlich viele Türen öffnen. Gleiches gilt für deren Tochter Sophie, die sich ebenfalls für Vogelarten interessiert und ihre Tante tot auffand. Victor hingegen ist ein skrupelloser Geschäftsmann, der zwar seine in wirtschaftliche Schieflage geratene Firma seinem Sohn Maxime übertragen hat, jedoch bereits vom nächsten Coup träumt: Mitten im Naturschutzgebiet.   

Elfter Fall für Georges Dupin

Monsieur le Commissaire Georges Dupin ermittelt in seinem bereits elften Fall, geschrieben von Jean-Luc Bannalec alias Jörg Bong. Dupin muss dieses Mal außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches ermitteln, ein Einsatz seines Präfekten macht dies aber möglich. Es geht an den Fluss Aber Wrac’h im Département Finistère, wo sich die Abtei der Engel befindet. Wie schon in den zehn Bänden zuvor, geht es in diesem „Frankreich-“, pardon Bretagne-Krimi nicht nur um die reine Ermittlung, sondern vor allem um das „bretonische Lebensgefühl“. Dazu gehören neben einer beeindruckenden Landschaft mit Blick auf den Atlantik vor allem gutes Essen, wovon Dupin reichlich Gebrauch macht. Dank seinem ersten Inspektor Riwal, einem wandelnden Lexikon, erfahren Dupin und somit die Leser zudem viele Hintergrundinformationen über die Region.

Bei der Beobachtung der Hobbyornithologinnen Rozenn und Sophie geht es um Alkenvögel wie den Tordalk, eine Vogelart, die den Pinguinen ähnelt. Derweil widmet sich Maxime Contel ganz dem Apfel, mit dem sich nicht nur der leckere Cidre herstellen lässt. Zu beiden Themen gibt es umfassende Ausführungen, Riwal sei nochmals Dank, die Dupin aber nicht immer unmittelbar weiterbringen. Überhaupt stehen die Ermittler vor einem Problem, denn wann immer sich ein denkbarer Lösungsansatz aufzeigt, scheitert es am Motiv. An Beweisen sowieso. Immer wieder werden die Familienmitglieder sowie deren Angestellte befragt. Nur einen Tag nach dem Angriff auf Kadeg gibt es tatsächlich einen Mord, welcher auf den gesamten Fall ein völlig neues Licht wirft. Warum sollte eine gesunde alte Dame, neunundachtzig Jahre hin oder her, plötzlich an einem Herztod sterben? Wohl kaum wegen einer Elster und einem alten Mythos. Eine Autopsie wird angeordnet und bringt Klarheit, hilft aber konkret ebenfalls nicht weiter, während der arme Kadeg weiter im Krankenhaus ausharren muss.

Wer die Dupin-Krimis mag, wird erneut voll und ganz auf seine Kosten kommen. Die Serie hebt sich wohltuend von der Masse der Frankreich-Krimis ab beziehungsweise ist dort zumindest vorne mit dabei. Wer ein Faible für die Bretagne hat und Finistère für den Anfang respektive das Ende der Welt hält, kann wunderbar die Wartezeit auf den nächsten Urlaub überbrücken.

  • Autor: Jean-Luc Bannalec
  • Titel: Bretonische Nächte
  • Verlag: KiWi
  • Umfang: 336 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: März 2024
  • ISBN: 978-3-462-00679-7
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt

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