Halleluja, was für ein durchgeknalltes, völlig abgedrehtes Theater! Thomas Krüger lässt es in seinem Roman „Die Götter müssen zurück sein“ ordentlich krachen. Kein Stein bleibt auf dem andern, kein menschlicher Abgrund bleibt unerwähnt. Nichts und niemand wird hier geschont. Aber eins nach dem anderen.
Eine zufällige Begegnung katapultiert Hercule Ulysse, einen schüchternen Astronomen aus Nizza, mitten hinein in die fantastische Geschichte. Seit einigen Tausend Jahren waren die Götter fort. Eine List von Prometheus hatte sie auf einen fernen Asteroiden verbannt. Nun kehrt Zeus mit seiner olympischen Familie wieder zurück. Inzwischen hat sich auf der Erde einiges verändert. Die Moderne ist eingezogen und die göttlichen Protagonisten brauchen eine Weile, um sich zu orientieren. Hercule wird zu ihrem menschlichen Helfer, Unterstützung erfährt er dabei von seiner resoluten deutschen Kollegin Dorothea. Ein absurder Roadtrip nimmt seinen Lauf. Die anfangs harmlose, fast lustig erscheinende Situation, entwickelt für Hercule und Dorothea einen bedrohlichen Sog. Schon bald kämpfen sie ums nackte Überleben.
Krüger nutzt die Geschichte über die Wiederkehr der Götter um seiner bitterbösen Satire über das internationale Weltgeschehen einen erzählerischen Rahmen zu verpassen.
Seine Anspielungen auf das tatsächlich agierende Personal sind alles andere als subtil. Die Weltherrschaft teilt sich auf zwischen dem amerikanischen Präsidenten Ronald Dump, dem russischen Despoten Desputnienkow und dem chinesischen Diktator Li Xing Ming. Dem militärischen Säbelrasseln dieser Mächte und ihrem verlogenen diplomatischen Geplänkel fallen alle anderen Länder und Völker sowie jeglicher Menschenrechtsgedanke gnadenlos zum Opfer.
A propos subtil. Davon ist hier nämlich rein gar nichts zu spüren. Krügers Humor lebt von der brachialen Übertreibung. Die Handlung eskaliert von Kapitel zu Kapitel mehr. Es knallt und rumst in jeder Zeile, ständig passieren Schlägereien wie in einem Bud-Spencer-Film oder irgendetwas fliegt in die Luft. Die Götter hinterlassen auf ihrer Reise eine breite Schneise wüster Zerstörung.
Krüger macht klar: Von Zurückhaltung halten die Götter gar nichts. Sie verkörpern das Absolut Rücksichtslose. Wie eine Naturgewalt brechen sie über die Menschen herein mit dem Anliegen das größtmögliche Chaos zu inszenieren.
Der deskriptive Stil hält die Distanz zu den Protagonisten immer aufrecht. Die beim Lesen erzeugte Emotion ist vor allem Fassungslosigkeit über das skrupelose Agieren der Mächtigen. Der von Krüger erzeugte Effekt ist genial: Je unrealistsicher die Handlung wird, desto mehr nähert sie sich der Realität an.
Dass am Ende die Götter die Rollen der menschlichen Akteure einfach nur übernehmen und alles nach außen so bleibt wie es ist, ist ebenso absehbar wie konsequent.
Insgesamt hätten auch weniger Seiten ausgereicht, um die Idee hinter dem Plot zu transportieren. Der Humor ist stellenweise redundant. Für Literatur-Fans mit Vorliebe für sensible Charakterzeichnung und feingeistige Reminiszenzen ist der Text eher nicht geschrieben worden. Aber dem Autor bereitet es sichtlich Vergnügen seine Fanatsie in allen Nuancen auszuleben und irgendwie entspricht auch diese Übertreibung der Realität des täglichen Wahnsinns.
So ist – abgesehen von einigen Längen – Krügers Götterspektakel eine gelungene Satire auf die Welt und die Mächtigen. Und ein kleiner Trost für all jene, die ihrer Verzweiflung über die Welt lieber mit Humor als mit Hoffnungslosigkeit begegnen.
- Autor: Thomas Krüger
- Titel: Die Götter müssen zurück sein
- Verlag: Karl Rauch Verlag GmbH & Co. KG
- Erschienen: Februar 2024
- Einband: Gebundene Ausgabe
- Seiten: 352 Seiten
- ISBN: 978-3792002889
Wertung: 11/15 dpt