Samuel W. Gailey – Die Schuld (Buch)


Eine Tragödie par excellence

Alice ist fünfzehn Jahre alt. Es ist das zweite Mal, dass sie auf ihren vierjährigen Bruder Jason aufpassen soll, da die Eltern ihren Hochzeitstag feiern möchten. Jason findet eine Flasche Fingernagellack und verteilt diesen im Zimmer von Alice, woraufhin diese Jason anschreit. Während Alice versucht die Schäden zu beseitigen, merkt sie nicht, wie lange Jason schon weg ist. Dann ist es zu spät, denn Jason hatte sich in einem Wäschetrockner eingesperrt. Jason stirbt und mit ihm seine Familie. Alice hält die bedrückende Stimmung zuhause nicht mehr aus und glaubt, dass eine Flucht für alle das beste sei.

Fünf Männer waren tot. Zwei davon Cops. Der ganze Trailer voller Blut. Und was machte sie? Sie schnappte sich eine Tasche mit Geld und haute damit einfach ab.

Sechs Jahre später. Alice lebt in einem heruntergekommenen Motelzimmer in Harrisburg, wo sie in einem ebensolchen Stripteaseclub namens „Frisky Pony“ hinter der Bar arbeitet. Besser als auf der Straße zu leben, wie es vorher lange der Fall war. Zugriff auf ihre besten Freunde wie Whiskey, Wodka und Tequila hat sie außerdem. Da alle ihre Tage im Alkohol enden, wundert sie sich zunächst nicht, dass sie eines morgens nackt in einem Trailer aufwacht. Neben ihr liegt Terry, der Geschäftsführer des „Frisky Pony“. Ebenfalls nackt, aber außerdem tot. Erst mal Alkohol, dann entscheiden, wie mit der Lage umzugehen ist. Alice findet eine Tasche mit 91.000 Dollar und zahlreichen Drogen. Letztlich ruft sie die Polizei, aber es kommen stattdessen zwei Dealer, die ihre Sachen zurückhaben möchten und keine Zeugen brauchen. Kurz bevor sie Alice töten können, erscheinen zwei Cops. Es kommt zu einer Schießerei und plötzlich gibt es neben Terry vier weitere Tote.

Was zahlen die Leute für diese Art Unterkunft?“
„Na ja. Ein Teil der Gäste zahlt stundenweise. Für. Sie wissen schon. Das kostet zwanzig. Für die Nacht sind es fünfzig.“
„Ah. Und werden nach der stundenweisen Benutzung die Betten frisch bezogen?“
„Manchmal.

Alice schnappt sich das Geld und flieht einmal mehr. Doch der skrupellose Drogenchef Sinclair will nicht nur sein Geld zurück, sondern auch den Tod seiner Leute rächen. 

Innere Zerrissenheit und die Flucht vor sich selbst

„Die Schuld“ von Samuel W. Gailey ist kein klassischer Krimi, was sich zum einen daraus ergibt, dass man nahezu gänzlich ohne Polizei auskommt und zum anderen, dass im Fokus seiner Geschichte das Innenleben seiner Figuren steht. Da wäre zuerst natürlich die Protagonistin, die vor sich selber davonläuft. Sie hat ihren Bruder geliebt, letztlich war es ein tragischer Unfall, für den sie sich dennoch verantwortlich fühlt. Das Verhalten ihrer Eltern bestätigt ihre innere Zerrissenheit. Wohl behütet in einem bürgerlichen Umfeld aufgewachsen, ein normales Teenagerleben und dann eine derartige Tragödie.

Dass das Leben auf der Straße oder Jobs in heruntergekommenen Clubs keine Rettung bieten, ist ihr klar. Doch wie dem Teufelskreis und vor allem dem Alkohol entfliehen? Auf ihrer Flucht trifft sie die fünfzehnjährige Delilah und obwohl Alice genug mit sich selbst zu tun hat, finden die beiden unter denkwürdigen Umständen zusammen. Man versucht sich gemeinsam durchzuschlagen. Doch wohin? Delilah ist ebenfalls von zuhause geflüchtet und wird schon bald von der Polizei gesucht. Sie hat in einer ausweglosen Situation – nun ja – Schuld auf sich geladen und sieht ihrer Zukunft genauso ratlos wie Alice entgegen. Derweil sucht Sinclair nach seinem Geld und Alice hat durchaus, wenngleich natürlich unbeabsichtigt, Spuren hinterlassen.

Bis es zum großen und blutigen Finale kommt, werden einige Personen nicht mehr leben und die Leser fiebern mit der Heldin wider Willen mit. Ja, Alice hat ihr Päckchen zu tragen, ist ein auf üble Abwege geratener Pechvogel, aber immerhin ein tapferes Mädchen mit nüchternen Momenten, dass sich durchzuschlagen weiß. Wenn sie jetzt noch die richtigen Entscheidungen treffen würde, könnte sie ihr Leben noch mal in den Griff bekommen. Mit gut neunzigtausend Dollar Startkapital obendrein. Aber wann hat sie zuletzt mal eine richtige Entscheidung getroffen?

  • Autor: Samuel W. Gailey
  • Titel: Die Schuld
  • Originaltitel: The Guilt We Carry. Aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf
  • Verlag: Polar
  • Umfang: 312 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Januar 2024
  • ISBN: 978-3-948392-96-3
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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