Leila hat ihre Mutter seit vielen Jahren nicht gesehen. Gemeinsam mit ihrer Tante und Cousine sind sie damals aus Damaskus geflüchtet. Daran kann (oder will) Leila sich aber kaum noch erinnern. In London haben sie sich alle langsam ein neues Leben aufgebaut, bis ihre Mutter einen Job als Professorin in Norwegen angenommen und sie zurückgelassen hat. Jetzt ist sie auf dem Weg zu ihr, mit gemischten Gefühlen. Sie wollen den Sommer zusammen verbringen – vielleicht auch mehr. Aber Leilas Mutter hat dann doch andere Pläne: Sie will der Polarfüchsin Miso hinterher, die sie und ihr Forschungsteam beobachten. Leila kommt mit.
“Leila und der blaue Fuchs” fällt zunächst durch die wunderschönen Illustrationen auf, hat aber auch darüber hinaus noch viel zu bieten. Es ist ein Buch, das vor allem für Kinder geschrieben ist, von dem aber – wie so oft – auch Erwachsene noch viel lernen können. Es behandelt viele der wichtigen Themen der Gegenwart und verleiht ihnen durch den kindlichen Blick eine besondere Klarheit. Es geht um Krieg, Flucht, Ausgrenzung, Familie, Folgen des Klimawandels und den Respekt vor Tieren und der Natur.
Flucht
Es geht darum, wie es ist, die eigene Heimat verlassen zu müssen und sie dabei unfassbar zu vermissen und doch vor Schmerz kaum an sie denken zu können.
Wie geht man mit diesen Gefühlen um? Versucht man, sie zu verdrängen und sich nur auf das neue Leben zu konzentrieren? Die Umstände möglichst radikal zu ändern, sodass einen nichts mehr an das frühere Leben erinnert? Das sind Fragen, auf die Leila und ihre Familie Antworten suchen.
Natur
Es geht um Natur, um Wildnis, um die Schönheit und Besonderheit unserer Erde. Besonders gut dargestellt ist der Zwiespalt zwischen dem Wunsch, Natur zu erleben, ja sogar zu verbessern, und diese einfach sein zu lassen.
Dabei wird dieser Wunsch aber nicht unnötig verteufelt. Die Wissenschaftler*innen stehen immer wieder vor der Frage, wann es wirklich besser ist, einzugreifen – und wann eben nicht.
Familie
Nicht zuletzt geht es aber um das Thema Familie. Und diesem Thema wird in “Leila und der blaue Fuchs” endlich einmal der Freiraum gelassen, ernsthaft herauszufinden, wie es für die individuelle Situation am besten funktionieren kann. Denn es ist so: Leila liebt und vermisst ihre Mutter. Aber ihre Zurückweisung hat sie tief verletzt und ihre Mutter hat immer noch oft andere Prioritäten. Sie hat selbst mit den Folgen des Krieges zu kämpfen, aber da ist auch ihr Forschungsprojekt und die Füchsin, der sie folgen. Alles scheint wichtiger zu sein als Leila.
“Nicht du musst dich entschuldigen, sondern ich”, sagt Mama, aber sie tut es nicht.
Dennoch liebt und vermisst sie ihre Tochter. Aber sie weiß auch, dass sie ihr vielleicht nicht das Leben, die Art von Liebe und die Aufmerksamkeit bieten kann, die sie verdient. Geht es Leila vielleicht am Ende besser bei ihrer Tante und Cousine in London? Oder schafft sie es, sich mit ihrer Mutter in Norwegen zusammenzuraufen?
“Leila und der blaue Fuchs” ist ein Kinder- und Jugendbuch, dessen Themen mit bemerkenswerter Sensibilität und Vielschichtigkeit behandelt werden, ohne dass die Klarheit darunter leidet. Es ist ein Buch, in dem die Charaktere trotz der deutlichen Botschaften sie selbst sein dürfen und nicht nur als Transportmittel dienen. Von mir eine klare Leseempfehlung.
Wertung: 12/15 dpt
- Autor: Kiran Millwood Hargrave
- Titel: Leila und der blaue Fuchs
- Originaltitel: Leila and the blue Fox
- Übersetzer: Alexandra Ernst
- Verlag: Loewe
- Erschienen: Januar 2024
- Einband: Hardcover
- Seiten: 256
- ISBN: 978-3-7432-1743-0
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