Großartiger Plot mit ebensolchen Charakterzeichnungen
Es ist der Abend des 28. Februar 1986. In Stockholm wird auf offener Straße der schwedische Ministerpräsident Olof Palme erschossen. Ein Land steht unter Schock. Ausnahmezustand. Keine zwei Stunden später erhält die Polizei in Halmstad einen anonymen Hinweis. In der Nähe von Gut Tiarp wurde eine Frau vergewaltig und der Anrufer lässt keinen Zweifel daran, dass er wieder zuschlagen wird. Wegen der Ereignisse in der Hauptstadt ist kein Personal verfügbar, so dass der Polizist Sven Jörgensson alleine zum vermeintlichen Tatort fährt. Das Opfer, die zwanzigjährige Stina Franzén, ist lebensgefährlich verletzt. Sven entscheidet sich daher, die Frau selbst in ein Krankenhaus zu fahren, wo allerdings jede Hilfe zu spät kommt.
„Tun Sie das? Ich meine, niemand interessiert sich für uns. Alle denken nur an Palme.
Nach einiger Zeit verschwindet eine zweite Frau. Besagter Anrufer verkündet, dass man diese nicht finden werde. Sven stürzt sich wie besessen in die Ermittlungen, wobei er mitunter kaum noch klare Gedanken fassen kann. Stattdessen hat er starke Hustenanfälle und spuckt zunehmend Blut. Am Ende seiner Polizeilaufbahn zum Jahresende 1990 wird der „Tiarp-Mörder“ drei Morde begangen haben. Ein Opfer überlebt dank eines Zufalls. Die Verbrechen lassen Sven bis zu seinem Tod nicht los. Erst gut dreißig Jahre nach dem ersten Mord, kann der Täter identifiziert werden.
Zweiter Band der Vidar-Reihe
Nein, es ist kein Spoiler, dass Sven die Mordserie nicht aufklären wird. Es steht so auf dem Buchrücken und im Roman wird es bereits nach rund dreißig Seiten erwähnt. Die Handlung spielt im ersten und dritten Abschnitt im Jahr 2019, der Mittelteil in den Jahren 1986 bis 1991. „Was ans Licht kommt“ ist ein zahlreich ausgezeichneter Krimi des grandiosen schwedischen Autors Christoffer Carlsson, der bereits 2013 den Schwedischen Krimipreis für „Der Turm der toten Seelen“ (Band 1 der Leo-Junker-Reihe) gewann. Da war Carlsson siebenundzwanzig Jahre alt. Einen jüngeren Preisträger gibt es bis heute nicht.
Wer „Unter dem Sturm“ (erster Band der Vidar-Reihe) gelesen hat, findet hier im zweiten Band umfangreiche Hintergründe zum Privatleben des Protagonisten sowie zu dessen Vater Sven. Während Sven sich voll in die Ermittlungen stürzt, muss Vidar eine berufliche Entscheidung treffen und will, zum Entsetzen seines Vaters, Polizist werden (insoweit spielt die Haupthandlung vor jener aus „Unter dem Sturm“). Reicht es nicht, dass Sven schon all die abscheulichen Verbrechen und deren Konsequenzen ertragen muss? Meisterhaft plottet Carlsson seine Handlung, die immer wieder mit Rückblenden arbeitet. Man muss aufpassen, denn „Was ans Licht kommt“ ist nicht zuletzt große Literatur. Der Krimiplot steht zwar im Fokus und ist allgegenwärtig, aber mindestens genauso grandios sind die eindringlichen Figurenzeichnungen. Man leider und hustet mit Sven förmlich mit, später folgt man Vidar, der schnell mit der brutalen Realität konfrontiert wird.
Das ist die Schwierigkeit.
Woher weiß man es.
Neben Sven und Vidar gibt es weitere Figuren, die recht intensiv vorgestellt werden. Und nicht zuletzt ist jener Ich-Erzähler von Interesse, der den ersten und dritten Teil der Handlung erzählt. Die Auflösung ist mehr als beeindruckend, wobei dies vor allem für zwei, drei grandiose Wendungen gilt, die vor allem Vidar umhauen.
Wer außergewöhnliche Krimis, in denen die mitwirkenden Figuren und deren Charaktere im Fokus stehen, mag, „muss“ hier zugreifen. Christoffer Carlsson ist der schwedische Krimiautor „der Stunde“. Im Mai 2024 erscheint der dritte Vidar-Krimi unter dem Titel „Wenn die Nacht endet“. Ob dieser Roman die hohen Erwartungen erfüllen wird? Den Schwedischen Krimipreis 2023 hat er jedenfalls schon mal gewonnen.
- Autor: Christoffer Carlsson
- Titel: Was ans Licht kommt
- Originaltitel: Brinn ming en sol Aus dem Schwedischen übersetzt von Ulla Ackermann
- Verlag: Rowohlt
- Umfang: 496 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: September 2023
- ISBN: 978-3-499-00285-4
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Wertung: 13/15 dpt