William Gay – Nächtliche Vorkommnisse (Buch)

Böses Märchen

Nächtliche Vorkommnisse
© Arche

Dezember 1951. Lick Creek in Overton County/Tennessee. Der Bestatter Fenton Breece ist alles andere als beliebt, geradezu verhasst, allein man konnte ihm noch nie etwas anhaben. Gerüchte, dass bei ihm nicht alles mit rechten Dingen zugeht, gibt es hingegen schon lang. Als die Leiche des Schwarzbrenners Moose Tyler bei ihm landet, schöpfen dessen Kinder Corry und Kenneth Verdacht, zumal Corry beobachtet, wie die Leiche des Vaters einen höchst ungewöhnlichen Weg nimmt. Kurzerhand buddeln die beiden die Leiche wieder aus und stellen fest, dass nicht nur der Stahlmantel fehlt, jene wasserdichte Hülle, die achthundert Dollar kostete, sondern der Leichnam zudem unbekleidet und verstümmelt ist. Weitere nächtliche Graböffnungen jagen den Geschwistern weitere Schauer über den Rücken. Leichen sind entstellt, Geschlechtsteile fehlen, in anderen Särgen liegt lediglich Abfall.  

Es gibt eine todsichere Methode, wie man feststellen kann, ob Fenton Breece lügt. Hat er den Mund aufgemacht?

Wenig später gelingt es Kenneth, eine Aktentasche von Breece in seinen Besitz zu bringen, die ebenso entlarvende wie verstörende Fotos enthält. Kenneth möchte die Fotos der Polizei geben, Corry hält von der Idee jedoch wenig, denn als Kinder eines Kriminellen ist von dort kaum Hilfe zu erwarten. Dann lieber eine gepflegte Erpressung. Allerdings gehören dazu zwei Parteien und Breece denkt gar nicht daran, sich erpressen zu lassen und bittet Granville Sutter um Hilfe. Sutter, ein Soziopath allerübelster Sorte, hat längst jedes Stadium fortgeschrittenen Wahnsinns durchschritten.

Du weißt doch, wie die Leute einander trösten, wenn was echt Schlimmes passiert? Sie sagen, es hätte schlimmer kommen können. Dies oder das wär auch möglich gewesen. Aber diesmal nicht. Glaub mir. Ich bin das Allerschlimmste, das dir passieren kann.

So macht sich Sutter auf die Suche nach den beiden Tylers und hinterlässt dabei eine blutige Spur. Kenneth ist schnell auf sich allein gestellt und sieht nur eine Chance. Er muss zu Sheriff Bellwether in Ackerman’s Field gelangen, denn von ihm ist durchaus Hilfe zu erwarten. Seine Flucht vor Sutter führt ihn durch die Harrikin genannte Wildnis, wo er sich bald verlaufen und auf kauzige Menschen treffen wird. Man lebt oft allein im Wald, mit sich selbst und seiner Schrotflinte.

Ich will nicht in seiner Haut stecken. Und wenn, würde ich mich aufhängen.

„Nächtliche Vorkommnisse“ ist ein Roman, der dem „normalen“ Krimifan nicht zwingend gefallen muss. Ein perverser Bestatter, ein durchgeknallter Psycho und eine Jagd durch die Wildnis, der zahlreiche Menschen zum Opfer fallen. Schnell erzählt, nicht gänzlich neu und dennoch durchaus einen „Leseversuch“ wert. William Gay, Jahrgang 1943, gilt als einer der führenden Autoren des sogenannten Southern-Gothic, eine Variante des Gothic (englisch für Schauerroman), die, wie der Name bereits andeutet, ausschließlich in den Südstaaten Amerikas spielt. Sprachlich brutal-direkt gelingt es Gay gekonnt, Horrorelemente mit Märchenkomponenten zu kombinieren. „Sie irrten durch den Wald“, wobei hier nur einer irrt, nämlich der märchenhaft gute Held namens Kenneth, der Sutter nicht töten, aber sehr wohl endlich ins Gefängnis bringen will. Auf seinem Weg durch das Harrikin trifft er sogar auf eine Hexe, allerdings auf keine böse. Dass Böse selbst ist hingegen allgegenwärtig und wird durch Breece und Sutter mit grotesker Perversion und Brutalität personifiziert. Etliche Szenen sind harter Tobak und sicher ist hier nur jene Erkenntnis, die in der Innenseite des Buchdeckels vermerkt ist:

„Am Ende eines jeden Tages wartet vor allem die Dunkelheit.“ 

  • Autor: William Gay
  • Titel: Nächtliche Vorkommnisse
  • Originaltitel: Twilight Aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Körber
  • Verlag: Arche
  • Umfang: 286 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen:  2009
  • ISBN: 978-3-7160-2605-2


Wertung: 11/15 dpt

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