Roland Freisitzer – Die Befreiung (Buch)


Kann ein Mann einen feministischen Roman schreiben? Wenn er Roland Freisitzer heißt, dann lautet die Antwort: ja.

Im Mittelpunkt steht Clara, die sich erfolgreich in einer von Männern dominierten Branche durchgesetzt hat. Clara, die von frühster Kindheit an, eine große musikalische Begabung zeigt, folgt ihrem Hezen und wird allen Widerständen zum trotz Dirigentin.

Bereits während des Studiums wird klar, dass sie besser sein muss als ihre männlichen Mitstudenten, um Erfolg zu haben. Denn die Welt der Klassischen Musik ist noch nicht bereit für Frauen in führenden Positionen. Freisitzer zeichnet Claras Werdegang nach, wobei er die Schattenseiten ihrer Karriere deutlich hervorhebt. Der übliche Neid und die typischen sexistischen Anfeindungen lassen nicht lange auf sich warten. Clara geht souverän mit diesen nur allzu alltäglichen Belastungen um. Sie weiß, auch das gehört eben dazu, wenn frau sich der meist männlichen Konkurrenz stellt. Freisitzer zeichnet ein ernüchterndes Bild der Diskriminierung, die sich sowohl auf persönlicher als auch struktureller Ebene zeigt.

Der Autor inszeniert seine Story spannend wie einen Krimi. Seine weibliche Hauptfigur ist die Ich-Erzählerin, wodurch eine besondere Nähe zwischen ihr und Lesepublikum entsteht. Freisitzer bettet Claras Bericht in eine Rahmenerzählung, deren kammerspielartiges Settung der Handlung besondere Intensität verleiht. Wie bei einem Krimi wird auch hier ein Verbrechen zum zentralen Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Denn Clara ist Opfer einer Vergewaltigung geworden. Was folgt ist ihr verzweifeter Kampf gegen die Konsequenzen der an ihr verübten Tat. Doch die Maschinerie, in die sie gerät, ist gnadenlos.

Verzweifelt versucht sie nicht unterzugehen. Um ihre Karriere nicht zu gefährden, entscheidet sie zunächst zu schweigen. Die psychische Belastung ist jedoch kaum zu ertragen. Als die Tat schließlich doch öffentlich wird, gerät sie in den Sog einer schlimmen Schmutzkampagne.

Freisitzer protokolliert gnadenlos, wie die strukturelle Diskriminierung Frauen gegenüber greift. Er beschreibt die subtilen Mechanismen der Opfer-Täter-Umkehr, die Sensationsgier der Presse, die die öffentliche Meinung beeinflusst. Er zeigt, wie das vorhandene Machtgefälle Täter schützt und Opfer benachteiligt. Der Roman ist ein mitreißend geschriebener Beitrag zur leider immer noch aktuellen metoo-Debatte.

Bei allem ist Freisitzer ein Autor, bei dem man immer spürt: Hier schreibt jemand von Dingen, die er wirklich kennt. Als hauptberuftlicher Musiker ist er ein Insider genau jener Branche, die er in seinem Roman so schonungslos vor Gericht stellt.

Die Figuren sind glaubhaft, ihr Tun ist immer nachvollziehbar. Durch Nebenhandlungen verleiht Freisitzer ihnen zusätzliche Tiefe ohne das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren. Obwohl das Thema ernst ist, liest sich der Roman wie spannende Unterhaltungsliteratur. Die alles andere als unrealistische Handlung lädt ein zur Diskussion und macht deutlich, dass sich – trotz breiter Berichterstattung während der letzten Jahre – kaum etwas geändert hat. Ein guter feministischer Roman, der den Finger in die Wunde legt, und vielleicht auch von Männern gelesen wird, da er von einem Mann geschrieben wurde.

  • Autor: Roland Freisitzer
  • Titel: Die Befreiung
  • Verlag: Septime Verlag
  • Erschienen: März 2023
  • Einband: Gebundene Ausgabe
  • Seiten: 264 Seiten
  • ISBN: 978-3991200215

Wertung: 13/15 dpt


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