Agatha Raisin ist eine Frau, die weiß, was sie will: ihre PR-Agentur aufgeben, kochen lernen und in ein kleines Cottage in den Cotswolds ziehen. Ihre Agentur ist schnell verkauft. Das Kochen lernen… naja, es gibt ja Mikrowellen. Und das mit dem schnuckeligen Cottage in den Cotswolds wäre ganz nett. Wäre da nicht Mrs Barr, die Gewitterziege von nebenan, deren sympathischste Eigenschaft ihre Reinigungskraft ist. Oder die Cummings-Brownes, die Agatha beim Dinner ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, wo sich schonmal die Gelegenheit bietet. Oder die Tatsache, dass sich die PR-Frau fast zu Tode langweilt, während das einzig Interessante an ihrer neuen Heimat Carsely das Pub ist, wo sich die Männer tagein, tagaus betrinken.
Um endlich Anschluss an die – zugegeben – stinklangweilige Dorfgemeinschaft zu knüpfen, nimmt Agatha an einem Quiche-Wettbewerb teil. Ihr Plan geht auf. Nicht nur, dass es endlich spannender im Dorf zugeht, sondern plötzlich findet sie sich auch im Interesse der Allgemeinheit wieder. Denn kaum hat der alte Cummings-Browne ihre Spinat-Quiche schnabuliert, fällt er tot um. Endlich mal was los in Carsely!
Die Reihe um die extravagante Hobby-Detektivin Agatha Raisin dürfte mittlerweile allen ein Begriff sein. Nicht nur ihre Bücher und Hörbücher, gelesen von Julia Fischer, sind ein voller Erfolg. Auch die Verfilmungen, die aktuell freitagabends auf ZDF Neo ausgestrahlt werden, erfreuen sich großer Beliebtheit.
Mit „Agatha Raisin und der tote Richter“ liegt nun der Auftakt der Reihe als Taschenbuch vor. Bereits 1993 unter dem englischen Originaltitel „Agatha Raisin and the Quiche of Death“ erstmals veröffentlicht, erfolgte die deutsche Publikation 2013 im Lübbe-Verlag. Nun wird die Serie neuaufgelegt. Dabei kommt das Taschenbuch wie eine Schmuckausgabe daher. Der Buchdeckel fühlt sich hochwertig an, vor allem wegen der gerillten Struktur. Das Cover ist freundlicher, nahezu zuckersüß mit dem hübschen Cottage und dem Etikett, das wie von einem Marmeladenglas aussieht. Der britische Humor findet sich gleich in einem kleinen gelben Warnschild, auf dem das Symbol für „Vorsicht giftig“ zu sehen ist. Die Kapitel sind zudem durch kleine Illustrationen gekennzeichnet. Optik und Haptik überzeugen von der ersten bis zur letzten Seite.
Inhaltlich weiß M.C.Beaton durch ihren humorvollen Charme zu kokettieren. Dafür stellt uns die Autorin eine Protagonistin vor, die vielleicht einzigartig in ihrer Art ist.
Agatha Raisin ist nicht mehr die Jüngste. Ihre Haare sind braun und die Frisur unaufgeregt. Ihre Figur erinnert an ein Fass, wenn auch an ein schlankes Fass. Und darüber hinaus lässt sie sich völlig unbeabsichtigt ein wenig gehen. Nur ein wenig. Denn bald zieht ein netterer Herr ins Dorf, der… aber dazu ein andermal.
Was Agatha vor allem auszeichnet, ist ihr Temperament. Die Frau aus London nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn ihr etwas missfällt. Sie spricht aus, was sie denkt. Sie benutzt ihre Wut, um sich in einem vollen Laden über den miserablen Service zu beschweren. Sie hat keine Scheu davor, sich mit den Männern des hiesigen Pubs anzufreunden. Und sie hat vor allem keine Skrupel, ein wenig zu betrügen. Zum Beispiel in Wettbewerben um die beste Quiche von Carsely. Sofern man Agatha durch ihren Alltag begleitet, entwickelt sich eine leise Bewunderung für die taffe Frau, die ihre Ziele erreicht. Oder auch schonmal nicht. Aber immerhin alles dafür tut.
Das Setting um das urige Dörfchen Carsely ist so heimelig, dass sich eine Sehnsucht nach Heimat einstellt. Nach Sommer und blühenden Blumenbeeten. Nach Ohrenbackensesseln und Kaminfeuern. Man möchte gleich vor die Tür treten, um im Laden die Straße runter Milch und Eier zu kaufen, um eine Quiche zu backen.
Auch die Bewohner*innen stellen die übliche Einwohnerschaft einer Gemeinde mitten im Nirgendwo dar. Da gibt es das griesgrämige Seniorenpärchen, das nichts anderes macht, als an allem etwas auszusetzen. Die neugierige Nachbarin mit der spitzen Nase, die sie immer ein bisschen zu hoch hält. Das Vikarpaar, das Vorbild allen Christentums zu sein scheint, was charitative Zwecke anbelangt. Und der Polizist, Bill Wong, der noch jungenhaft erscheint, aber schlauer als seine erfahrenen Kollegen ist.
Besonders interessant ist das seichte Einbauen der Figuren, die im Laufe der Reihe eine größere Rolle spielen werden und sich somit zu Hauptcharakteren entwickeln. Beaton überfordert hier ihre Fangemeinde nicht, sondern setzt auf Geduld, statt alle Figuren gleichzeitig einzuführen. So gelingt es, das Besondere der einzelnen Rollen ausfindig zu machen und Sympathien zu entwickeln.
Der Fall ist klassisch britisch. In typischer Agatha Christie-Manier werden den Leser*innen Motive und Indizien vorgelegt, aus denen sie mit der Protagonistin ein Puzzle zusammensetzen können. Dabei ist die Konstruktion des Falls weder zu leicht noch zu schwer. Erst nach und nach entdeckt Agatha die Spuren, die der Täter hinterlassen hat. Gleichzeitig wird die Leserschaft ein wenig in die Irre geführt, ganz so, wie es sich für einen englischen Kriminalroman gehört.
Fazit
Dieses Buch macht Spaß. Egal ob es die Lust am Mitfiebern, am britischen Landleben oder am englischen Humor ist, die die Leser*innen antreibt – hier kommt jede*r auf seine Kosten. Dabei ist es nicht nur die Geschichte selbst, die Freude bereitet, sondern auch die schöne Ausgabe der mittlerweile verstorbenen Autorin.
- Autor: M.C.Beaton
- Titel: Agatha Raisin und der tote Richter
- Originaltitel: Agatha Raisin and the Quiche of Death
- Verlag: Bastei Lübbe
- Umfang: 253 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: 29. Februar 2024
- ISBN: 978-3-404-19278-6
- Produktseite
Wertung: 14/15 dpt