Düsterer Serienstart für Leo Junker
Leo Junker arbeitet bei der Stockholmer Polizei für das Dezernat für Interne Ermittlungen, kurz D.I.E., wo er allerdings bis Jahresende suspendiert ist. Ein nächtlicher Waffendeal auf Gotland endete im Chaos und Junker erschoss versehentlich einen Kollegen, so dass er den perfekten Sündenbock gab. Seitdem schluckt er reichlich Tabletten, um seine Panikattacken in den Griff zu bekommen. Als in seinem Wohnhaus einige Etagen tiefer in einer Wohnung für Frauen in Not, die Leiche von Rebecca Salomonsson gefunden wird, die aus nächster Nähe erschossen wurde, sieht Junker sich gezwungen, tiefer in den Fall einzusteigen. Obwohl suspendiert, ermittelt er auf eigene Faust, denn die junge Frau hielt eine Kette in ihrer Hand, die Junker tief in seine eigene Vergangenheit eintauchen lässt.
Damals lernte der sechzehnjährige Leo in der Nähe seiner Sozialsiedlung Salem den eigenwilligen John „Grim“ Grimberg kennen, der aus Langeweile von einem nahegelegenen Wasserturm mit einem Gewehr auf Vögel schoss. Leo, der in der Schule von älteren Mitschülern drangsaliert wird und den daraus resultierenden Frust an einem schwächeren Schüler auslässt, wird wenig später auf Julia, Grims jüngere Schwester, aufmerksam. Eine verhängnisvolle Entwicklung nimmt ihren Lauf.
Sensibler Coming of Age Roman, der spannend unterhält
„Der Turm der toten Seelen“, mit dem Schwedischen Krimipreis 2013 ausgezeichnet, bildet den Auftakt der Leo-Junker-Reihe, die 2018 mit „Zeit der Angst“ ihren vierten und bisher letzten Fall erlebte. Der Roman ist als Thriller bei Bertelsmann erschienen, wenngleich er vor allem ein grandioser Coming of Age Roman ist. Leo, Grim und Julia sammeln im jugendlichen Alter die üblichen Erfahrungen. Ein Mix aus Freundschaft und Liebe, aber ebenso aus Drogen und Gewalt. Man lebt in benachbarten Hochhäusern in Salem, ein Vorort von Stockholm, der heute für alljährliche Neonaziaufmärsche berüchtigt ist, die im vorliegenden Roman aber keine nennenswerte Rolle spielen. Gleichwohl ist Salem ein sozialer Brennpunkt, in dem schnell Langeweile und Frust aufkommen, zumal wenn wie im Fall von Grim und Julia die eigene Familie ein Trümmerfeld darstellt. Die Mutter ist psychisch schwer angeschlagen, der Vater Alkoholiker. Da bleiben Probleme nicht aus und werden gewöhnlich mit Gewalt „gelöst“.
Der Aufbau des Romans ist dreigeteilt. Ich-Erzähler Leo Junker erzählt in Rückblenden von damals, wo alles sozusagen seinen Anfang nahm; in der Gegenwart, wo es einen Mord aufzuklären gilt, dessen Adressat offensichtlich Junker ist und Tagebuchnotizen, die, man muss kein Hellseher sein, vom Mörder stammen. Ruhig, aber gleichwohl kraftvoll erzählt Christoffer Carlsson, einer der Krimi-Starautoren Schwedens („Unter dem Sturm“), sein packendes Drama, dessen Sogkraft man sich nur schwer entziehen kann. Zwar ist die Handlung alles andere als temporeich, aber dennoch zieht einen der Erzählstil des Autors schnell in die Handlung rein. Man fühlt sich mittendrin und leidet mit, damals wie heute.
Beim Finale kommt es zu einer wenig überraschenden Auflösung, auch mangels Alternativen, aber in erster Linie geht es hier vor allem um die Zusammenhänge. Was passierte vor rund sechzehn Jahren und mit welchen Konsequenzen? Wer hat Schuld auf sich geladen? Jedenfalls nicht nur Leo und Grim, sondern etliche Figuren, dies darf verraten werden. Am Ende bleiben Fragen offen, beispielsweise zu dem Vorfall auf Gotland. Ein düsterer und gut gelungener Serienstart, der dennoch Potential nach oben hat. Lesenswert!
- Autor: Christofffer Carlsson
- Titel: Der Turm der toten Seelen
- Originaltitel: Den osynlige mannen från Salem. Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann
- Verlag: C. Bertelsmann
- Umfang: 352 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: März 2015
- ISBN: 978-3-641-14784-6
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Wertung: 12/15 dpt
