Mathias Scherers Erzählungen lesen sich ein wenig so wie man sich einen alten Gary Grant-Film vorstellt, zu dem Ephraim Kishon das Drehbuch geschrieben haben könnte. Das mag jetzt etwas altmodisch klingen– und genau das ist Scherers Erzählton auch auf eine sehr liebenswerte Weise – aber genau darauf gründet sein unbestrittener Erfolg.
Sein Muster ist dabei fast immer gleich. Ausgehend von absolut alltäglichen Situationen geraten Scherers Protagonisten durch ihr eigenes Tun in völlig skurrile Abenteuer. Dabei lässt der Autor seine männlichen Figuren selbst erzählen. Man ist als Leser also ganz dicht dran und die jeweilige Story wird wie ein reales Erlebnis dargeboten. Die Ich-Erzähler entpuppen sich durch ihr Verhalten als liebenswert-schrullige Typen, die im Großen und Ganzen nicht viel anders agieren wie du und ich, bis auf ein winziges Detail: Sie alle haben eine kleine Macke, verrennen sich in eine fixe Idee und kommen da allein auch nicht mehr raus.
Sei es, dass ein Onkel sich einen irrwitzigen Wettstreit mit seinem Bruder liefert um das größte Stofftier für die kleine Nichte.
Sei es, dass sich der Ich-Erzähler aus falsch verstandener Scham nicht traut dem Busfahrer die verpasste Bushaltestelle in einer abgelegenen Region anzuzeigen.
Sei es dass die Hauptfigur auf dem Weg zu einem wichtigen Geschäftstermin ihr Portemonnaie vergessen hat und sich nun singenderweise in der Fußgängerzone die fehlenden Münzen erarbeiten muss, um ihr Auto aus dem Parkhaus auslösen zu können.
Scherers Geschichten leben von der allmählichen Zuspitzung. Hinter dem trockenen Humor, den er in elegante Formulierungen verpackt, blitzt immer wieder das sprichwörtliche Augenzwinkern hervor. Mit großem Fingerspitzengefühl platziert er seine wohldosierten Übertreibungen und provoziert Pointe um Pointe.
Scherer spielt mit dem bewährten Kontrast zwischen gesellschaftlich konditionierter Fassade, also dem „was man tut, weil es sich so gehört“, und dem anarchisch-chaotischen agierenden Individuum.
Er habe einen Heidenspaß, sagt Scherer in seiner selbstironisch verfassten Vita. Dem ist vorbehaltlos zu glauben. Man spürt: Hier schreibt jemand, der wahnsinnig Lust hat am Erzählen, am Zulassen immer neuer Ideen und genau diese Lust überträgt sich auf die Lesenden.
16 Erzählungen auf 200 Seiten sind in diesem Band zusammengefasst. Der Verlag edition federleicht hat ihn bereits 2016 veröffentlicht. Aber dem zeitlosen Humor Scherers tut dies keinen Abbruch. Die Leseempfehlung gilt daher ohne Verfallsdatum.
- Autor: Mathias Scherer
- Titel: Vom Irrwitz des Alltags
- Verlag: edition federleicht
- Erschienen: Mai 2016
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 200 Seiten
- ISBN: 978-3946112143
Wertung: 12/15 dpt