Welche Bedeutung kommt dem Glauben zu, wenn es um seelische oder körperliche Heilung geht? Den Satz Der Glaube hat dir geholfen kennt vermutlich jede/r aus dem Neuen Testament. Spätestens als ironische Floskel aus dem Alltag. Doch inwiefern sind diese Worte auch heute noch gegenwärtig? Oder ist Glaube im Kontext fortgeschrittener medizinischer Erkenntnisse überholt?
Der Pädagoge und Sozialarbeiter Heinz-Peter Röhr gibt hierzu eine Antwort.
In Hinblick auf Sachliteratur ist es zunächst ratsam, sich den Autor oder die Autorin anzusehen.
Heinz-Peter Röhr praktizierte jahrzehntelang an der Fachklinik Fredeburg/Sauerland mit Suchtmittelabhängigen. Seine Bücher erschienen in zahlreichen Auflagen, wie bspw. „Vom Glück sich selbst zu lieben“. Etliche Bücher sind erschienen, die sich allesamt psychische Gesundheit in den Fokus nehmen.
Das Buch „Wie Heilung gelingt“ beginnt zunächst mit einem Paukenschlag. Von Krebskranken ist da die Rede, die trotz geringer Lebenserwartung plötzlich geheilt wurden. Was ist dran?
Röhr geht hier zunächst auf die Wirkung von Placebos ein. Dabei nennt er einige Beispiele, in welchen Fällen die Wirkung von Placebos dokumentiert wurden. Dabei sind Placebos nichts anderes als Glaube. Sofern ein Mittel angeboten wird, dessen Wirkung von Fachpersonal angepriesen wird, stellt sich beim Patienten eine Einstellung ein, die eine Heilung erwartet. Andersherum können somit aber auch Nebenwirkungen erzielt werden, die nicht existieren. Somit kann Glaube nicht nur heilen, sondern sogar töten, wie am Beispiel von Voodoozauber ausgeführt.
Im nächsten großen Kapitel geht der Autor schließlich auf die Liebe Gottes ein. Wie ist der Glaube an Heilung christlich und biblisch untermauert? Hier benennt er die Heilung Kranker durch Jesus im Neuen Testament. Sofern eine Person geheilt wurde, sprach Jesus Dein Glaube hat dir geholfen. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass Heilung keinerlei Bedingung erfordert außer die des Glaubens. Hier setzt Röhr eine Kritik an die Kirche an. Kirche ermahnt immerzu. Während biblisch betrachtet Gottes Liebe an keinerlei Bedingungen geknüpft ist, wird den Gläubigen durch Geistliche der Kirche stets vermittelt, nicht gut genug für dessen Liebe zu sein. Aufgrund dessen zerstört Kirche Glaube. Sie zerstört Selbstliebe und Selbstbewusstsein. Nicht zuletzt zerstört sie den Glauben. Wenn sich ein Mensch fragen muss, wie er es wert sein kann, dass er Gottes Liebe erfährt, kann er auch nicht Heilung durch eben jenen erwarten. Denn: Laut Röhr ist Heilung hier mit einem festen Glauben an Gott gebunden. Wie dieser Gott aussieht, bleibt dabei offen. Jedoch orientiert sich der Autor an die Bibel.
Es ist natürlich nicht nur die Kirche, die aufbauen oder zerstören kann. Vor allem frühe Prägungen in der Kindheit haben einen Einfluss auf das Selbstwertgefühl eines Individuums. Fühlt sich ein Kind nicht geliebt, hat das enorme Auswirkungen auf sein gesamtes Leben. Dabei haben toxische Programme einen erheblichen Einfluss auf das Mindset. Ich bin nicht gut genug. Ich darf keine Meinung haben, etc. Hier stellt der Autor ein Gegenprogramm vor. Es sind einfache Sätze, die auf Dauer positiv beeinflussen sollen. Dabei bleiben stets die Selbstheilungskräfte im Blick. Jedoch bezieht er sich auf den Gottesglauben. Somit sollten sich Menschen mit psychischen oder physischen Problemen direkt an Gott wenden und sich für dessen Liebe öffnen.
Was ist davon zu halten? Wie kann man dieses Buch rezensieren? Kurz: Der Glaube hat dir geholfen!
Für Atheisten und Agnostiker ist dieses Werk gänzlich ungeeignet. Es spricht vielmehr diejenigen an, die bereits gläubig sind und sich eventuell nach einer stärkeren Nähe zu Gott sehnen. Gleich zu Beginn wird zudem darauf hingewiesen, dass das Geschriebene kein Ersatz für eine medizinische Therapie darstellt. Ergo kann der Inhalt des Buchs lediglich zur Heilung beitragen.
Viele Aspekte wirken zu einfach gedacht. Obwohl Röhr lange die Ursprünge von zerstörten Selbstheilungskräften ausführt, kommt die Antwort, wie sie wieder aufgebaut werden können, zu simpel daher. Nichtsdestotrotz sind es vor allem die vorangestellten Erklärungen, die von dem Buch überzeugen. Es erscheint plausibel, welchen Beitrag Erziehung und Kirche zum Selbstwertgefühl eines Menschen leisten. Erstaunlich hingegen wirken die Fallbeispiele über die Wirkung der Placebos, wobei sie hier nicht angezweifelt werden sollen. Vielmehr haben diese Beispiele etwas Augenöffnendes.
Fazit:
„Wie Heilung gelingt“ ist nicht vom Gottesglauben isoliert zu denken. Hier vermischen sich Wissenschaft und christlicher Glaube. Aufgrund dessen kann dieses Buch kaum rezensiert werden, da es vermutlich eine gewisse Leserschaft ansprechen wird. Allerdings wird auch ein Großteil ausgeklammert. Jemand, der sich vom Glauben abgewendet hat, wird in diesem Buch kaum eine Antwort finden. Denn darum geht es: Zu diesem Werk greift nur, wer von einem inneren Kampf zerrissen ist. Der Hilfe sucht. Der jemanden braucht. Der noch keinen Ausweg gefunden hat. Für Heinz-Peter Röhr ist die Antwort so simpel wie genial: Bitte Gott!
Ist es so einfach? Haben wir tatsächlich in unserer Welt aus Stress, Materialismus und Getrieben-Sein unseren Glauben an Heilung verloren, sodass wir nur noch an die Wirkung der Medizin glauben oder nicht glauben können? Haben sich die Götter in Weiß hier eine Monopolstellung erschaffen? Die Antwort muss jede/r für sich selbst finden.
- Autor: Heinz-Peter Röhr
- Titel: Wie Heilung gelingt
- Verlag: Herder
- Umfang: 205 Seiten
- Einband: Gebundenes Buch
- Erschienen: 15. Mai 2023
- ISBN: 978-3-451-60399-0