Gaea Schoeters – Trophäe (Buch)


© Zsolnay

Hunter macht seinem Namen alle Ehre. Denn er ist ein Jäger. Ein Mann, der genügend Geld hat, um die High Five vollzumachen.

Als seine Jagd auf ein Nashorn jedoch durch Wilderer vereitelt wird, packt ihn die Wut. Daher nimmt sein Jagdführer Van Heeren ihn mit auf einen Aussichtspunkt hoch über dem Busch Afrikas. Es dauert nicht lange, bis Hunters Jagdinstinkt aufs Neue entfacht wird. Denn was er sichtet, ist ein Raubtier, geschmeidiger, klüger und gefährlicher als alle anderen. Dann erzählt Van Heeren ihm von den High Six.

Trophäe ist ein Roman, der radikal eine Richtung anpeilt und dieses Ziel verfolgt wie ein Jäger seine Beute. Fasziniert und angeekelt zugleich werden die Leser*innen in einen Sog gezogen, der sie erst wieder ausspuckt, wenn die einzige Konsequenz dieser Geschichte erreicht ist. Und hinterlässt einen bitter-süßen Nachgeschmack. Süß, weil es sich hier um ein ganz besonderes Stück Literatur handelt. Bitter aufgrund der Thematik.

Gaea Schoeters hat ein Buch verfasst, das sich auf gänzlich frische und mutige Art einem Thema widmet, welches in der Literatur wenig Beachtung findet, vielleicht eher am Rande existiert – die Jagd. Wer glaubt, mit der Autorin auf Pirsch durch Wald und Wiesen zu ziehen, irrt sich. Denn die Handlung spielt ausschließlich in Afrika.

Es handelt von der vielleicht grausamsten Art der Jagd, nämlich das Töten der vom Aussterben bedrohter Tiere gegen die Zahlung eines Vermögens. Ein Reichenhobby. Denn was hier deutlich wird: Wer genügend Geld hat, kann sich alles kaufen. Und wer eine Lizenz gekauft hat, darf (fast) alles.

„Das wogende Gras beeinträchtigt die Sicht, alles bewegt sich, sein Auge findet nirgendwo Halt. Erst nach langem Starren sieht er einen abweichenden Fleck zwischen dem halbhohen Gras. Doch bevor er ihn wirklich ins Visier bekommt, hat das Tier, was auch immer es war, sich schon wieder weiterbewegt; wo gerade noch etwas langschlich, weht jetzt nur noch der Wind. Sofort meldet sich sein Instinkt…“

Der Protagonist wirkt auf Anhieb unsympathisch. Als ganzer Mann versteht er sich. Jemand, der auf Vollautomatik verzichtet, weil er ein faires Von-Angesicht-zu-Angesicht nicht scheut. Hunter ist ein Gewinner. Ein Übermensch, der über Leben und Tod bestimmt. Notfalls rechtfertigt er sich damit, dass er legal handelt. Er verfügt über eine Lizenz. Gleichzeitig hat er eine weiche Seite. Immer dann, wenn er an seine Frau denkt, schimmert seine Menschlichkeit, vielleicht sogar ein wenig Schwäche durch. Hinzu kommt, dass seine Frau eine Sammlerin von Jagdtrophäen ist. Somit stellt sie für ihn das perfekte Gegenstück dar, rechtfertigt sie doch sein blutiges Interesse.

Ihm gegenüber werden die Nebencharaktere gestellt.

Da ist !Nqate. Er wird nicht als Mensch vorgestellt. Er ist ein geschickter Jäger. Er ist jung. Wie jung, bleibt ungesagt. Er ist männlich und möchte heiraten. Mehr erfahren die Leser*innen nicht. Er kommt nicht zu Wort. Er tritt seinem Kontrahenten nicht gegenüber. Er hat keine Gefühle, keine Gedanken, nicht mal ein Aussehen. Er ist einfach da, mehr Objekt als Subjekt. Mehr Tier als Mensch.

Dagegen wirkt Dawid lebendiger. Er bleibt keine leere Leinwand, wird die Leserschaft doch mit Informationen über sein Denken und Fühlen gefüttert. Vor allem sind es die Gedanken des Hunters, die auf den jungen Dawid schließen lassen.

Interessant erscheint im Kontext des von sich überzeugten Protagonisten die Rolle Afrikas. Der sogenannte Schwarze Kontinent, das düstere Land voller alter Geheimnisse und launischer Götter. Da wo Fressen-oder-gefressen-werden nicht nur ein Spruch, sondern eine Lebensweisheit ist. Es soll dieses Land, Hunters Vergnügungspark, sein, der Hunter eines Besseren belehrt. Und das tut es in allerlei Facetten. Es zeigt der Hauptfigur Grenzen auf. Es weist auf Gefahren hin. Und nicht zuletzt zwingt es seinen ungebetenen Besucher in die Knie, bis über das Letzte hinaus.

Gleich auf den ersten Seiten schimmert durch, welch akribische Recherche dem Werk zugrunde liegt. So werden nicht nur die unterschiedlichen Jagdstile und Beutetiere detailliert beschrieben. Auch Afrika wird so wundervoll ästhetisch und gefährlich dargestellt, dass der Verdacht aufkommt, dass die Autorin diesen Erdteil zuvor ausgiebig studiert hat.

Der Plot ist schockierend. Während des Lesens möchte man aussteigen. Nein sagen zu dem Schrecken, der unmittelbar bevorsteht. Allerdings verzögert Schoeters den Höhepunkt hinaus. Akribisch reiht sie Jagd an Jagd, um sich dem eigentlichen Thema zu nähern. Hier wäre weniger mehr gewesen. Radikaler wäre die Botschaft erschienen, wäre die Story auf die Hälfte der Seitenzahl gekürzt worden.

Fazit

Trophäe ist ein Buch, das bewegt. Das Augen öffnet. Das vielleicht beschämt. Und sicher ist es kein Roman, der zum Wohlfühlen einlädt. Dafür hat sich die Autorin zu weit hinausgewagt. Zu stark die Abgründe der menschlichen Seele seziert. Doch eines ist es mit Sicherheit: Eine atemberaubende Lektüre!

  • Autorin: Gaea Schoeters
  • Titel: Trophäe
  • Originaltitel: Trofee
  • Verlag: Paul Zsolnay Verlag
  • Umfang: 255 Seiten
  • Einband: Gebundene Ausgabe
  • Erschienen: 19. Februar 2024
  • ISBN: 978-3-552-07388-3
  • Produktseite

Wertung: 14/15 dpt

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