Tödliche Kometenangst
Köln hat sich durch die Neustadt vor wenigen Jahren verdoppelt, die Wohnungsverhältnisse werden noch immer neu sortiert. Wer es sich leisten kann, wohnt in einem der vornehmen Patrizierhäuser, die meisten kauern in bescheidenen Unterkünften und manche träumen von einem besseren zuhause, nehmen Kredite auf und geraten bald in finanzielle Schieflage. Mit Immobiliengeschäften konnte man schon immer viel Geld verdienen, je skrupelloser desto mehr. So war es auch bei Robert Hai, der für seine Rücksichtslosigkeit gegenüber seinen Kunden bekannt war. Nun liegt er tot in einem Haus im Ursulaviertel neben seiner Geliebten Brunhild Stolte. Beide wurden erstochen, doch vielmehr wundert sich Anna Ostheim, die die Leichen entdeckt, dass Robert eine Geliebte hatte, schließlich ging sie bislang davon, dass sie diejenige sei. Übereilt flüchtet sie vom Tatort und entdeckt daheim im Schreibtisch ihres Mannes Wilhelm einen Brief, wonach dieser dem Ermordeten 30.000 Reichsmark schuldet; ein Kredit für das Haus.
„Meinen Sie wirklich, dass der Täter so dumm ist? In Köln wohnen unzählige Männer mit dem Vornamen Hans, die sich Schäng nennen. Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, dass das Verbrechen mit dem Hänneschen-Theater in Verbindung steht. Sie wollen sich doch nicht den stellvertretenden Oberbürgermeister Konrad Adenauer zum Feind machen, der bekanntlich ein großer Freund der Kölner Puppenspielkunst ist!
Kriminalkommissar Martin Ehrmanns übernimmt die Ermittlung und da er vertretungsweise noch ein zweites Revier abdecken muss, bestimmt er seinen Revierschreiber Franz Lindau kurzerhand zu seinem Sonderermittler. Ehrmanns Zugehfrau Gerda von Bienemann wiederum übernimmt die Stelle von Lindau, ein Unikum, denn der Polizeidienst ist ausschließlich Männern vorbehalten. Schon bald geraten Ehrmanns und Lindau in ein kaum überschaubares Durcheinander, denn einen weitere junge Frau ist verschwunden. Sie arbeitet wie Brunhild im Kaiserlichen Stadtfernsprechamt. Zeugenaussagen sind kaum vorhanden, lediglich eine ältere Frau will einen Schutzmann beim Betreten des fraglichen Hauses beobachtet haben. Kurz darauf wird im Hafen von Nippes die Leiche eines Schutzmannes aufgefunden und eine vielversprechende Spur führt zu der Privatdetektei Berg und Jäger.
Bildgewaltiger Ausflug nach Köln im Jahr 1910
Gabriele Goslich macht es in ihrem Debütroman dem Protagonisten Martin Ehrmanns alles andere als einfach, denn die Beziehungsgeflechte der mitwirkenden Figuren sind mitunter schwer durchschaubar. Mehrere Verdächtige werden geschickt aufgebaut, etliche Blindspuren sorgen für zusätzliche Verwirrung bis sich schließlich alles in einem nochmals recht turbulenten Finale sauber auflöst. Etwas arg konstruiert, aber durchaus spannend zu lesen.
Die Polizeiarbeit zur Kaiserzeit, die Geschichte spielt im Mai des Jahres 1910, wird anschaulich und umfangreich beschrieben, einschließlich des damals üblichen Obrigkeitsdenkens, wenngleich Ehrmanns durchaus seine eigenen Wege geht, nicht immer zum Gefallen seines Vorgesetzten. Die sogenannte „Wiener Folie“ bietet neue Möglichkeiten bei der Erkennung von Fingerabdrücken und auch sonst ist mächtig viel los in der Domstadt. Auf der Hohenzollernbrücke werden Gleise verlegt, während die Bevölkerung gebannt zum Himmel schaut, wo der Halleysche Komet gut erkennbar ist. Nicht wenige sehen das Ende der Welt gekommen, eine regelrechte Kometenangst geht um und endet für viele im Selbstmord aus Angst vor dem nahenden Tod.
Neben stadtgeschichtlichen Aspekten steht die gesellschaftliche Rolle der Frau im Vordergrund, wobei die Autorin ein wenig trickst, denn Frauen im Polizeidienst wie hier Gerda von Bienemann gab es erst einige Jahre später. Im lesenswerten Nachwort wird allerdings darauf hingewiesen. Köln war die erste Stadt im Rheinland mit Fernsprecheinrichtungen, die jetzt im Jahr 1910, also rund dreißig Jahre später, ein eigenes Gebäude für das Kaiserliche Stadtfernsprechamt erhält. Telegraphengehilfinnen durften wiederum nur Frauen sein. Zweiundvierzig Stunden inklusive Nachtdienst für drei Mark Tagegeld ab dem fünften Berufsjahr. Die Frauen mussten ledig und kinderlos sowie unter dreißig Jahre alt sein. So war es selbstverständlich, dass viele Frauen gleich mehreren, schlecht bezahlten Berufen nachgingen, um über die Runden zu kommen.
Kurzum: „Flammender Himmel über Köln“ ist ein anregender Historischer Kriminalroman, der neben einem verzwickten Plot viel Lokalkolorit und reichlich Stadtgeschichte enthält sowie einen kritischen Blick auf die damalige Stellung der Frauen wirft.
- Autorin: Gabriele Goslich
- Titel: Flammender Himmel über Köln
- Verlag: Gmeiner
- Umfang: 384 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2024
- ISBN: 978-3-8392-0591-4
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Wertung: 12/15 dpt