Friedrich Ani – Totsein verjährt nicht (Buch)


Ein Blick in zahlreiche Abgründe

Totsein verjährt nicht
© dtv

Am 8. April 2002 wird die neun Jahre alte Scarlet Peters zum letzten Mal gesehen. Sechs Jahre ist dies nun schon her und vor drei Jahren konnte der Fall abgeschlossen werden, denn der damals 24-jährige Jonathan „Jockel“ Krumbholz legte ein Geständnis ab. Hauptkommissar Polonius Fischer kam in seinen Ermittlungen nicht voran, wurde auch auf Druck der Medien abgelöst und sein Nachfolger Micha Schell lieferte umgehend. Allerdings gab es einige Haken, denn Jockel wurde stundenlang verhört, ohne Essen, ohne Anwalt. Irgendwann folgte sein Geständnis, welches er wenig später widerrief. Eine Leiche wurde bis heute nicht gefunden und das Jockel auf dem geistigen Niveau eines Zehnjährigen lebt interessierte damals nicht wirklich. Nicht nur bei Fischer blieben bis heute erhebliche Zweifel an den Ermittlungen.

Heute, sechs Jahre später. Zwei junge Männer überfallen mit äußerster Brutalität Taxifahrer in München. Das jüngste Opfer ist ausgerechnet Ann-Kristin Seliger, Fischers Lebensgefährtin, die seit dem Überfall im Koma liegt. In dieser Ausnahmesituation erreicht Fischer ein Schreiben des heute sechszehnjährigen Marcel Thalheim, ein früherer Freund und Mitschüler von Scarlet. Er ist sich sicher, Scarlet auf dem Marienplatz gesehen zu haben und da damals Fischer der einzige Polizist gewesen sei, der den Fall ordentlich bearbeitete, bittet er ihn, die Suche fortzusetzen.

Der Fall ist längst abgeschlossen, lediglich ein Leichenfund könnte neue Ermittlungen rechtfertigen und legitimieren. Doch Fischer ist von dem Fall besessen, will seinen damaligen Rausschmiss als Leiter der Soko womöglich rächen und beginnt daher erneut, Angehörige und Bekannte aus dem Umfeld von Scarlet und Jockel zu befragen. Dass er damit keineswegs offene Türen einrennt, nimmt er in Kauf; selbst eine mögliche Suspendierung scheint ihm egal.

Dritter Fall für Polonius Fischer

Friedrich Ani, mehrfacher Gewinner des Deutschen Krimipreises, erzählt in „Totsein verjährt nicht“ (2010: Deutscher Krimi Preis, 2. Platz National), eine in vielerlei Hinsicht beunruhigende Geschichte und gleichzeitig den dritten Fall für seinen Protagonisten Polonius Fischer, einst Benediktinermönch. Haben die Kollegen damals die Ermittlungen manipuliert, um einen Täter zu präsentieren, der leicht zu beeinflussen war? Lebt Scarlet womöglich noch und warum tun sich in ihrem wie in Jockels familiären Umfeld zahlreiche menschliche Abgründe auf? Es scheint allen egal zu sein, dass Scarlet tot ist. Man soll die Vergangenheit ruhen lassen. Dass Jockel damals sogar seinen Vater beschuldigte, Scarlets Leichnam beseitigt zu haben, lässt diesen kalt. Ist ja schon lange her.

Fischer ist eine äußerst ambivalente Figur, kämpft mit den Dämonen seiner Vergangenheit und so erfährt man immerhin sein schreckliches Familiengeheimnis. Auch hier ein Abgrund unfassbaren Ausmaßes. Dann wäre da noch die ins Koma geprügelte Lebensgefährtin, die ihn verständlicherweise um den Schlaf bringt, ebenso wie das schandhafte Verhalten seiner Kollegen, die damals alles andere als professionell ermittelt haben. Auch hier entpuppt sich ein albtraumhaftes Szenario.

Friedrich Ani hat seinen ganz eigenen, sehr speziellen Schreibstil, den man mögen muss. Wer seine Romane kennt und schätzt, der findet in diesem erstmals 2009 erschienenen Roman erneut außergewöhnliche Krimikost, die im Internet oder antiquarisch erhältlich ist.  

  • Autor: Friedrich Ani
  • Titel: Totsein verjährt nicht
  • Verlag: dtv
  • Umfang: 287 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: 2011
  • ISBN: 978-3-423-21308-0


Wertung: 11/15 dpt


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