“Adam Dalgliesh – Scotland Yard” basiert auf den Romanen von P. D. James, die relativ frei bearbeitet wurden. So schreckt die Serie auch nicht vor der (dezenten) Darstellung der Auswirkung von Gewalttaten zurück, womit james weit zurückhaltender war. Die zweite Staffel ist wieder Mitte der Siebziger angesiedelt und trifft das Zeitkolorit ähnlich gut wie die verwandten Serien “Grantchester”, “George Gently” oder “Inspector Foyle”. An die Klassenprimusse “Ripper Street”, “Peaky Blinders – Gangs of Birmingham” und besonders “Der junge Inspector Morse” reicht es nicht ganz heran. Liegt aber auch daran, dass eine gewisse Zeitlosigkeit den erzählten Geschichten anhaftet.
Vergangenheit ist allerdings die Grundprämisse, die davon ausgeht, dass Detective Inspector Adam Dalgliesh auch als Lyriker erfolgreich ist. Mit Gedichten Geld zu verdienen und für Aufsehen zu sorgen, war in den Siebzigern noch möglich, danach konnte Poesie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum noch Einkommen generieren.
Der literarische Erfolg Dalglieshs stellt die Hintergrundstory für die zweite Staffel. Denn er bekommt das Angebot seiner Verlegerin, den Polizeiberuf an den Nagel zu hängen, um seine Bücher und ausgedehnte Lesereisen zum Haupterwerb zu machen. Dalgliesh zögert und zweifelt, gerade angesichts der steigenden Gewalt gegen Schwächere und den Schlupflöchern, die das Gesetz abgefeimten Mördern und anderen Verbrechern bietet. Ein Hauch Spannung bleibt, wenn Dalgliesh nachdenklich auf seine Kollegen blickt und um eine Entscheidung ringt. Zum großen Nervenflattern reicht es nicht, denn die Fortsetzung ist bereits in Planung.
In den neuen Folgen bekommen es DCI Dalgliesh und seine mehr als loyale Kollegin DS Kate Misskin mit Tötungsdelikten aus Verlustangst zu tun, treffen auf einen gewieften Soziopathen, der mit den Polizisten Katz und Maus spielt, bis er es übertreibt.
Weiter geht es mit einem vertrackten Mörderspiel, in dem sich Literatur, True Crime- und sexuelle Obsessionen ein munteres, aber mitunter etwas verworrenes Stelldichein geben. Am Ende erliegt Dalgliesh (fast) seinem Weltschmerz, angesichts der Verlogenheit und raffinierten Boshaftigkeit des Klientels, mit dem er ständig konfrontiert wird. Dalglieshs eh schon leidgeprüfte Miene (wir erinnern uns: Ehefrau und Tochter sind bei einem Unfall ums Leben gekommen) verfinstert sich weiter. Da die Serie komische Einlagen fast komplett vermeidet, liegt ein Schleier elegischer Trauer über den stimmungsvollen, nicht selten bleischweren Bildern. Gibt “Dalgliesh, Scotland Yard” einen Hauch von Alleinstellungsmerkmal. Neben der Kombination von Poet und Ermittler, die schon eigen genug ist.
“Adam Dalgliesh – Scotland Yard” ist von jener verlässlichen britischen Solidität, die das Anschauen lohnend macht. Die Darsteller liefern bis in die Nebenrollen überzeugende Leistungen ab, auch und gerade, wenn sie Unsympathen spielen. In der Folge “Tod eines Gutachters” gibt es ein Wiedersehen mit Richard Harrington als Arzt und alleinerziehendem Vater, dessen Inspector Mathias (“Hinterland”, dt. “Inspector Mathias – Mord in Wales”) eine ähnliche Backgroundstory wie Adam Dalgliesh besitzt (ohne zu dichten), dabei noch düsterer zu Werke geht. Es ist höchst bedauerlich, dass die dritte Staffel der in Wales spielenden, vortrefflichen Serie bislang nicht in Deutschland ausgestrahlt wurde.
Bertie Carvel spielt Dalgliesh als leidgeprüften Schmerzensmann, der an den Ungerechtigkeiten der Welt verzweifelt und sein Heil in der Poesie sucht. Zwischenmenschlich ist er blind, bemerkt nicht, dass DS Misskin weit mehr als kollegiale Gefühle für ihn hegt. Die charmante Carlyss Peers zeigt in ihrer Figur sowohl Verletzlichkeit wie Stärke. Gegen die ihre blassen männlichen Pendants, die DCI Dalgliesh ebenfalls an die Seite gestellt werden, keine Chance haben.
Zu den wenigen Anflügen von Humor gehört der Umstand, dass nahezu jeder Abwesende Misskins Faible für Dalgliesh erkennt, und sie darauf anspricht, der Inspector selbst aber vergeistigt im Dunkeln tappt.
Das ist alles atmosphärisch und visuell ansprechend umgesetzt, Spannung stellt sich aber nur leidlich ein.
Macht nichts, die Meriten von “Adam Dalgliesh, Scotland Yard” liegen woanders und reichen aus, um die Serie mit Gefallen anzuschauen und neugierig auf die dritte Staffel zu warten. Positiv fällt ebenfalls aus, dass sich für die Fälle ausreichend Zeit genommen wird, ohne die Laufzeit zu zerdehnen. Sechs fünfundvierzigminüte Folgen (ergibt drei neunzigminütige Ermittlungen) halten das Interesse aufrecht. Gemütvolle und nachdenkliche Unterhaltung mit netten Reminiszenzen an die wilden 70er, die in Adam Dalglieshs Universum aber nicht ganz so wild ausfallen. Tödlich hingegen schon.
Cover und Bilder: Edel Motion/Glücksstern
- Titel: Adam Dalgliesh – Scotland Yard, Staffel 2
- Originaltitel: Dalgliesh
- Produktionsland und -jahr: England, 2023
- Genre: Krimiserie, Thriller
- Erschienen: 01.12.2023
- Label: edel Motion
- Spielzeit:
6 x 45 Minuten auf 2 DVD - Darsteller: Bertie Carvel
Carlyss Peer
Jeremy Irvine
David Pearse
Alistair Brammer
Yaseen Aroussi
Mirren Mack
Nathaniel Christian
Helen Aluko
Richard Harrington - Regie: Andy Tohill
Ryan Tohill
Geoffrey Sax
Jon Wright - Drehbuch: P. D. James (Author)
Helen Edmundson
Stewart Harcourt - Musik: Andrew Simon McAllister
- Kamera: Ian Moss
Will Baldy
Damien Elliott - Extras: Trailershow
- Technische Details (DVD)
Video: Bildverhältnis 16:9
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, Dolby Digital 5.1
Untertitel: D - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 10/15 dpt