Ermordete Veteranen und ein verschwundener Elitesoldat
Margarethe Franck vom polizeilichen Nachrichtendienst wundert sich nicht schlecht, als ihr Chef Ove Worre, operativer Leiter des Geheimdienstes, sie bittet, an der Bergung einer männlichen Wasserleiche teilzunehmen. Denn was hat der PET mit einer Wasserleiche zu tun, deren Identität unbekannt ist? Bei der anschließenden Obduktion ergibt sich, dass der Mann von einem Scharfschützen erschossen wurde. Doch noch während Franck der Obduktion beiwohnt, wird sie in das Vejla Adal beordert, wo an einem Shelterplatz vier männliche Leichen gefunden wurden. Bei den Toten handelt es sich um ehemalige Kriegsveteranen; erschossen von einem Scharfschützen. Zwei Wochen zuvor wurden bereits in einer Kiesgrube bei Naestved drei Veteranen auf die gleiche Art exekutiert.
Im Auftrag des PET-Chefs Salomonsen bittet sein Vorgänger Axel Mossman den Elitesoldaten Niels Oxen, sich bei dem Fall der Veteranenmörder zu beteiligen. Da auch Franck an den Ermittlungen beteiligt ist, willigt Oxen ein. Es dauert lange, bis die beiden einen ersten Zusammenhang erkennen können. Derweil taucht eine junge, überengagierte Polizistin namens Sally Finnsen aus dem Fahndungsdezernat Kopenhagen an allen drei Tatorten auf, was Franck zu denken gibt, zumal sich Finnsen nicht zu ihrer Motivation äußert. Nur eins ist klar: Das Fahndungsdezernat ist hier so wenig zuständig wie der PET. Dann verschwindet plötzlich Oxen von der Bildfläche und ausgerechnet der pensionierte Mossman muss seine weltweiten Beziehungen spielen lassen. So kontaktiert er vor Ort die Geheimdienste in England, Frankreich, Israel und Russland. Offenbar führt eine vielversprechende Spur in den Mittleren Osten, genauer, in den Iran.
Die Oxen-Reihe war ursprünglich als Trilogie geplant
Die sogenannte Danehof-Trilogie („Das erste Opfer“ – „Der dunkle Mann“ – „Gefrorene Flammen“) war in sich abgeschlossen. Es hätte also vorbei sein können, zumal nur „Detailfragen“ offenblieben. Wie entwickelt sich die Beziehung von Oxen zu seinem pubertierenden Sohn Magnus, der ihn dank seiner Mutter über lange Jahre nicht sehen durfte und wie kam es dazu, dass Franck ihren rechten Unterschenkel verlor? Fragen, deren Aufklärung es nicht zwingend gebraucht hätte, die aber im vierten Band „Lupus“ beantwortet wurden. Aber offensichtlich hat sich Autor Jens Henrik Jensen mit seinem erfolgreichen Protagonisten angefreundet, so dass er ihm weitere Fälle gönnt. Da nach dem fünften Band „Noctis“ erneut Fragen offenbleiben, darf man auf die „Fortsetzung“ namens „Pilgrim“ gespannt sein.
Wer die Oxen-Reihe kennt, weiß, was einen in etwa erwartet. Militärisches Pathos und reichlich Action nebst treibenden Plot. Es gibt selbstredend ein Wiedersehen mit den drei Hauptfiguren Oxen, Franck und Mossman und da Oxen zur Mitte des Romans „verschwindet“, nimmt mit der jungen Finnsen eine weitere, durchaus interessante Figur größeren Platz in den Ermittlungen ein. Finnsen ist auf der Suche nach ihrem vor einigen Jahren verschwundenem Bruder, der ebenfalls – wie Oxen – ein Jägersoldat war. Die aktuellen Morde an Veteranen (ein Wort, dass geradezu inflationär oft verwendet wird) und der Fall des vermissten Bruders, scheinen irgendwie zusammenzuhängen. Oder auch nicht. Jedenfalls findet Oxen vor seinem „Abgang“ einen vielversprechenden Ansatzpunkt.
Nachdem Oxen verschwunden ist, kann ausgerechnet der undurchschaubare Mossman sein ganzes Können zeigen. Er nutzt seine Kontakte beim MI6, dem DSGE sowie dem Mossad; von dort wird er an die Russen verwiesen. Es folgt eine aberwitzige Aufklärung, die in eine völlig durchgeknallte Unterwelt führt, in der mit unfassbaren Gewaltexzessen Millionen verdient werden. Für teils sehr brutale Action ist also gesorgt und wer sich zudem in der Welt des Militärs oder der Geheimdienste literarisch gut unterhalten fühlt, wird auch am fünften Oxen-Band „Noctis“ seinen Gefallen finden.
Autor: Jens Henrik Jensen
Titel: Oxen. Noctis
Originaltitel: Gladiator. Aus dem Dänischen von Friederike Buchinger
Verlag: dtv
Umfang: 576 Seiten
Einband: Taschenbuch
Erschienen: Januar 2024
ISBN: 978-3-423-22044-6
Wertung: 11/15 dpt