Vermeintliche Beziehungstat mutiert zum Riesenskandal
Ein anonymer Anruf berichtet von Hilfeschreien einer Frau und führt Beamte der Guardia Nacional Republicana (GNR) zu dem Ferienhaus „Girassol“ im Ort Paraiso, wo sie die Leiche eines ermordeten Engländers namens Jack Brent finden. Graciana Rosado und ihr Team von der Policia Judiciaria (PJ), der Kripo in Faro, übernehmen. Die Inhaberin des Ferienhauses bringt sie auf eine vielversprechende Spur, denn Antonia Santos hat das Haus für sich und Jack für eine Woche gemietet. Nun fehlt von der Frau jede Spur, allein die Auswertung der GPS-Handydaten ergibt ein klares Bild.
Leander Lost, Kommissar aus Hamburg und immer noch in Fuseta im Rahmen eines Austauschprogramms tätig, irritiert vor allem eine Sache, denn von dem Toten fehlen dessen Schuhe. So findet Lost schließlich heraus, dass sich die Tat völlig anders als offensichtlich dargestellt zugetragen haben muss, während die EDV-Spezialistin der PJ in Fuseta herausfindet, dass sich Santos zum Tatzeitpunkt mehrere Kilometer entfernt von Paraiso aufgehalten hat.
Dann überschlagen sich die Ereignisse, denn Daniel Vasco von der PJ Lissabon reißt den Fall an sich und bittet die Kollegen in Fuseta, Santos an die britische Polizei zu übergeben, da sie in England möglicherweise wegen Mordes gesucht wird und eine Gegenüberstellung Klarheit verschaffen soll. Doch Lost lässt die Übergabe am Flughafen wegen eines Formfehlers scheitern, auf der Rückfahrt werden er und Santos entführt und schon weiß niemand mehr, wer auf welcher Seite steht und worum es überhaupt geht. Schnell wird jedoch klar, es geht um einen riesigen, internationalen Skandal.
Fünfter Fall für Asperger-Autist Leander Lost
Leander Lost, seines Zeichens Asperger-Autist, ist nun schon fast zwei Jahre an der Algarve, da sein Austauschprogramm verlängert wurde. Obwohl er zu menschlichen Gefühlen unfähig ist, haben sich die Kollegen an den Alemão gewöhnt, zumal er ihnen schon mehrfach bei der Aufklärung von Verbrechen behilflich war. Lost braucht klare Regeln und Strukturen, deutsche Tugenden in höchster Vollendung möchte man meinen, was zu etlichen skurrilen Situationen und Dialogen führt. Lost kann selber nicht lügen, erkennt aber wiederum bei anderen Menschen anhand unbewusster Mikroexpressionen in deren Mimik, ob diese die Wahrheit sagen.
In Gil Ribeiros alias Holger Carsten Schmidt fünften Fall der Serie „Lost in Fuseta“ ermittelt Lost an der Seite seiner Vorgesetzten Graciana Rosado, mit deren Schwester Soraia er eine Beziehung pflegt, jedenfalls nach seinem Verständnis, und den Kollegen Carlos Esteves und Miguel Duarte. Letzterer hofft, dass kleine Kaff an der Küste schnell verlassen zu können und eine Chance im großen Lissabon zu finden. Da kommt der Auftritt von Daniel Vasco gerade recht.
Neben dem Wiedersehen mit bekannten Figuren ist anzumerken, dass der Schreibstil recht schlicht gehalten ist und der Roman somit bestens an Orten gelesen werden kann, die nicht immer für uneingeschränkte Ruhe sorgen, beispielsweise am Strand oder in der Bahn auf der Fahrt zur Arbeit. Einige Wiederholungen sorgen zudem dafür, dass „vergessliche“ Leser nicht zurückbleiben; so wird etwas Lost mehrfach als Alemão bezeichnet oder Duarte als „gebürtiger Spanier“. Gleichwohl eignet sich die Serie, wie viele vergleichbare dieser „Urlaubskrimis“, zur Einstimmung auf eben jene Auszeit, so es einen denn nach Portugal zieht. Die Gegend von Faro und natürlich das kleine Dorf Fuseta werden ordentlich beschrieben, lecker gekocht und gegessen wird ja sowieso immer.
Und der Krimiplot? Dieser teilt sich quasi in zwei Teile. Der erste kommt wie ein klassischer Whodunnit daher, in dem alles nach einer Beziehungstat aussieht. Was folgt ist im „zweiten Teil“ eine tempo- und actionreiche Achterbahnfahrt in Thriller Manier, in der es vor dem Hintergrund des nahenden Brexit um einen gewaltigen Pharmaskandal inklusive Milliardensummen geht.
„Urlaubskrimis“, nicht abwertend gemeint, fluten seit einigen Jahren die Regale der Buchhandlungen. Wer es mag, kann hier zugreifen, denn allein schon der ungewöhnliche Protagonist mit seinen unfreiwilligen Macken sorgt für kurzweilige Unterhaltung.
Autor: Gil Ribeiro
Titel: Einsame Entscheidung
Verlag: KiWi
Umfang: 400 Seiten
Einband: Taschenbuch
Erschienen: April 2023
ISBN: 978-3-462-00449-6
Wertung: 10/15 dpt