Spione auf dem Abstellgleis
River Cartwright, Agent des Security Service, soll eine Zielperson verfolgen und einen Anschlag auf eine U-Bahn-Station verhindern. Doch River verfolgt zunächst die falsche Person, es kommt zum Desaster. 120 Tote, 30 Millionen Pfund Schaden. Zum Glück nur eine Übung, die allerdings reicht, ihn in das berüchtigte Slough House zu versetzen, wohin die Slow Horses genannten Agenten aussortiert werden. Eine bunte Truppe vermeintlich unfähiger Leute, die aus verschiedenen Gründen strafversetzt wurden. Zurück zum Regent’s Park, dem Sitz des MI5, kam bisher niemand.
Rivers Aufgabe seit nunmehr acht Monaten besteht darin, den Müll des ehemals linken Journalisten Robert Hobden zu durchsuchen, der inzwischen am äußersten rechten Rand angekommen ist. Ein langweiliger Job, zumal er nicht weiß, wonach er eigentlich suchen soll. Dass die übrigen Kollegen allesamt unsympathische Einzelgänger sind und sein Chef Jackson Lamb geradezu unausstehlich ist, macht es nicht besser.
Dann taucht auf BBC ein Video auf, auf dem ein junger Mann zu sehen ist, der offenbar entführt wurde. Wie sich in einem weiteren Video herausstellt, handelt es sich um Hassan Ahmed, ein in Birmingham geborener Brite mit pakistanischen Wurzeln, der Betriebswirtschaft studiert. Pakistaner gelten als Symbol für Muslime und so bekennt sich wenig später die rechte „Stimme Albions“ zu der Entführung, die das Land in Atem hält, zumal die Entführer den Mann in 48 Stunden live enthaupten wollen. Noch am selben Tag gibt es einen Überfall auf Hobdon und so drängt sich die Frage auf, ob dies ein Zufall sein kann? Noch wichtiger wäre allerdings die Klärung der Fragen, wer Ahmed wirklich ist, welche Ziele Jackson Lamb verfolgt und warum Diana „Lady Di“ Taverner, stellvertretende MI5-Chefin, so auffällig gut über die Vorkommnisse informiert ist?
Auftakt der erfolgreichen Jackson-Lamb-Reihe
„Slow Horses. Ein Fall für Jackson Lamb“ ist der Auftakt der ebenso ungewöhnlichen wie erfolgreichen Agentenreihe von Mick Herron, die inzwischen mit Gary Oldman als Jackson Lamb verfilmt wurde. Mit „Joe Country“ erschien kürzlich der sechste Band und wenn es bei den bisherigen Ankündigungen bleibt, werden (nur) noch zwei weitere Romane folgen.
Der Start in die vorliegende Handlung ist gewöhnungsbedürftig. Ausgebrannte, frustrierte Agenten gehen irgendwelchen Tätigkeiten nach, die auf den ersten Blick wenig Sinn ergeben. Warum hat man sie nicht gleich entlassen? Man verabscheut sich gegenseitig, hasst den Chef, die Stimmung könnte katastrophaler nicht sein. Lamb hat acht Mitarbeiter, die alle erst einmal vorgestellt werden wollen, wobei man nicht immer direkt erfährt, warum sie eigentlich abgesägt wurden. Langsam nimmt die Handlung Fahrt auf, was für weitere Verwirrung sorgt, denn nichts ist so, wie es scheint, was ja für Agentenromane grundsätzlich nichts Ungewöhnliches ist. Und so stellen sich die üblichen Fragen: Wer spielt welches Spiel? Wem kann man vertrauen?
Getragen wird der Plot durch seine düstere Grundstimmung im Team, dem Verhältnis zwischen MI5 und den Slow Horses, dem dauermotzenden Lamb und einem triefend schwarzen Humor, der omnipräsentem Sarkasmus die Hand reicht. Dazu die Entführung und deren Hintergründe, die es in sich haben.
Kurzum: Mit zunehmender Dauer wird es immer besser, denn am Anfang bleibt vieles im Ungefähren und lässt einen mitunter ratlos zurück. Wer schwarzen Humor und Agentenkrimis mag ist hier richtig.
Autor: Mick Herron
Titel: Slow Horses
Originaltitel: Slow Horses. Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer
Verlag: Diogenes
Umfang: 472 Seiten
Einband: Taschenbuch
Erschienen: August 2019
ISBN: 978-3-257-24505-9
Wertung: 12/15 dpt