2004 erschien aus Christopher Paolinis Feder der erste “Eragon”-Teil , “Das Vermächtnis der Drachenreiter”, der sofort zu einem großen Erfolg wurde. Mit “Der Auftrag des Ältesten”, “Die Weisheit des Feuers” und “Das Erbe der Macht” folgten drei weitere Bände, und Paolini hatte einen Epos erschaffen. Zwölf Jahre hat er seine Fans danach warten lassen, bis sie dieses Jahr mit “Murtagh” wieder nach Alagaësia reisen konnten. Zwischendurch wurde noch der Kurzgeschichtenband “Die Gabel, die Hexe und der Wurm” veröffentlicht, die auch eine Geschichte enthält, welche den Einstieg in “Murtagh” bietet.
“Murtagh” ist allerdings kein fünfter Teil der “Eragon”-Reihe, auch wenn die Ereignisse auf die vorherigen Bücher aufbauen und man diese vorher gelesen haben sollte, um Verständnisprobleme und Spoiler zu vermeiden. Protagonisten dieses Buches sind Murtagh und sein Drache Dorn, die in den Eragon-Büchern nur als tragische Anti-Helden und teilweise auch Gegenspieler auftauchen. Murtaghs einschneidende Biografie wird in den Eragon-Büchern zwar auch beleuchtet, man erhält aber nie einen wirklichen Einblick in sein Innenleben und seine Wahrnehmung, und in die von Dorn erst recht nicht.
Dies ändert sich mit “Murtagh. Eine dunkle Bedrohung”. Keine Zwerge und Elfen, kein Eragon und Saphira, allgemein kaum andere Drachen, keine epischen Schlachten, kein Besuch in Tronjheim oder Du Weldenvarden, keine wechselnden POV. Dafür eine sich langam aufbauende Handlung, eine intensive Charakterstudie von Murtagh und Dorn, eine neuartige Bedrohung, wochenlange Reisen auf dem Drachenrücken, ein Ausbau des Magiesystems, ein spannender Showdown und ein offenes Ende.
Die Beziehung zwischen Murtagh und Dorn ist ganz anders als die zwischen Eragon und seinem Drachen Saphira. Eragon und Saphira hatten Zeit gemeinsam zu wachsen und zu lernen. Dorn und Murtagh wurden von Beginn an unter Druck gesetzt, misshandelt und missbraucht. Dies hat seine Spuren und vor allem Traumata bei beiden hinterlassen. Ein Drache mit PTBS und Angststörung war für mich auch mal etwas Neues und ich fand gut vermittelt, wie sehr beide unter Galbatorix gelitten haben und wie sehr sie immer noch darunter leiden, sich nirgendwo zugehörig zu fühlen. Murtaghs Kindheit wird hierbei ebenso reflektiert, wie die Zwänge unter denen beide gestanden haben und in die sie fast wieder geraten.
“Niemand ist vollkommen. Niemand kommt heil und unversehrt durchs Leben. Gib dir also nicht die Schuld an etwas, wofür du nicht kannst. Wir sind hier und wir haben einander. Nur das ist wichtig.”
S. 509
Auch Murtaghs Sichtweise auf Eragons Erfolg und der hin und wieder aufkeimende Neid beim “ungewollten Sohn” fand ich gut beschrieben und nachvollziehbar durch Murtagh erklärt. Dass er jedoch auch zu heldenhafter Selbstüberschäzung neigt beweist er im Buch mehr als einmal, indem er sich und Dorn in absehbar lebensgefährliche und scheinbar auswegslose Situationen bringt, anstatt sich Hilfe und Unterstützung (z. B. bei Eragon) zu suchen. Immer mal wieder hatte ich beim Lesen das typische “Aaah, tu’s nicht, das geht nicht gut”-Gefühl.
Bei einem Buch, dass 2023 veröffentlicht wurde, hätte ich allerdings auf mehr Progressivität gehofft. Aussagen à la “Aber du weißt ja wie Jungs so sind” oder dass Frauen ohne Elfenblut grundsätzlich zu schwach zum Jagen sind, gehören für mich nicht mehr zum aktuellen Zeitgeist und sind in diesem Fall auch für die Handlung völlig irrelevant.
Auch mit der Liebesszene am Ende hat sich für mich gezeigt, dass das einfach nach wie vor nicht Paolinis Metier ist. Die war leider ziemlich anstrengend und hölzern zu lesen – wenn auch ganz ohne Explizität.
Ebenso war es etwas störend, dass die Karte vorne im Buch mit Runen beschriftet ist. Ein Runenalphabet gibt es zwar auch hinten im Buch, allerdings war das Übersetzen der Runen, wenn man nur mal eben nachschauen wollte, wo Dorn aktuell entlangfliegt, etwas langwierig. Über das Glossar und die Erklärungen zur Aussprache hinten im Buch dürften sich aber auch andere “Sprach-Nerds” gefreut haben.
Ingesamt hat mir diese langsam erzählte Geschichte aus Alagaësia gut gefallen. In jedem Fall verspricht das Ende (und auch die Danksagung des Autors), dass es bei diesem einen Band nicht bleiben wird und wir uns auf weitere drachige Abenteuer freuen dürfen.
- Autor: Christopher Paolini
- Titel: Murtagh – eine dunkle Bedrohung
- Teil/Band der Reihe: 1/?
- Originaltitel: Murtagh. The World of Eragon
- Übersetzer: Wolfgang Thon
- Verlag: Cbj
- Erschienen: 2023
- Einband: Hardcover
- Seiten: 784
- ISBN: 978-3-570-16710-6
- Sonstige Informationen:
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 10/15 dpt
Ich habe damals alle Eragon Bücher verschlungen. Mal sehen ob für mich Murtagh unter dem Baum landet. Auf alle Fälle hast Du mir Lust gemacht das Buch mal näher zu betrachten
„Murtagh“ ist definitiv ganz anders als die Eragon-Bücher! Aber es freut mich sehr, dass ich neugierig machen konnte. ☺️