Charles Willeford – Miami Blues (Buch)


Groteskes Katz-und-Maus-Spiel brachte den Durchbruch für Willeford

Miami Blues
© Alexander Verlag Berlin

Frederick J. Frenger jun. ist ein Soziopath der wegen Raubüberfall in Kalifornien einsaß. Nach drei Jahren kommt er – wegen guter Führung – frei, jedoch vermutet der Gefängnisdirektor eine Wiederholungsgefahr in der Nähe von hundert Prozent und rät Freddy in einen weit entfernten Bundesstaat zu ziehen, wo seine Vorgeschichte nicht aktenkundig ist. So landet Freddy in Florida am Flughafen von Miami, wo ihn ein Hare Krishna anbettelt. Freddy reagiert einmal mehr leicht gereizt und bricht Martin Waggoner, so der Name des Mannes, einen Finger.

Todesursache: Gebrochener Finger.

Es fängt gleich grotesk an in Charles Willefords erstem von insgesamt vier Miami-Krimis, die dem bis dahin eher verrufenen „Schund“-Autor letztlich den internationalen Durchbruch verschafften; inklusive späterer Verfilmung mit Fred Ward (Moseley) und Alec Baldwin (Freddy).

Der gebrochene Finger jedenfalls sorgt bei Martin für einen Schock, an dem er wenige Minuten später stirbt. Unschuldig-schuldig gerät Freddy in das Visier der Ermittler wenig später, doch zuvor lernt er eine Prostituierte kennen, die – na klar – Martins Schwester Susan ist. Susan ist recht einfältig, hat aber eine eigene Wohnung und ein Auto und bietet daher Freddy die Möglichkeit, fürs Erste unterzutauchen. Man sei verlobt, erzählt Freddy wenig später Detective Sergeant Hoke Moseley vom MPD, als dieser Susan über Martins Tod informiert; was verständlicherweise auch Freddy beunruhigt. Freddy benutzt einen falschen Namen gegenüber Moseley, der jedoch einen Ex-Knacki erkennt, wenn er vor ihm sitzt.

Wie es der Zufall will, meldet sich Vater Clyde Waggoner bei der Polizei, da dieser vermutet, Susan habe den Mord an ihrem Bruder in Auftrag gegeben. Der Grund, sie war von Martin schwanger.

Auftakt des Miami-Quartetts

Charles Willeford (1919-1988), ein „Meister des Pulp“, liefert ein ebenso wahnwitziges wie brutales Katz-und-Maus-Spiel ab, in dessen Kapiteln abwechselnd Freddy und Moseley die Protagonisten sind. Es geht hoch her, denn Freddy benötigt Geld und macht, was er am besten kann: Überfälle. Währenddessen kümmert sich seine „Ehefrau“ um den Haushalt. Es kommt zu amüsanten Dialogen zwischen Freddy und Susan, da Susan wie erwähnt sehr einfältig ist; um nicht zu sagen naiv bis dumm. Freddy wiederum ist ein Soziopath, dem schnell die Sicherungen durchknallen, was oft zu unkontrolliert eskalierender Gewalt führt.

Wir sind doch verlobt, oder nicht?“

„hast du das ernst gemeint? Als du Mr. Turner sagtest, wir wären verlobt?“

„Warum nicht? Ich war noch nie verlobt.

Und Moseley? Anfang vierzig, künstliches Gebiss, wohnt in einem schäbigen Hotelzimmer, welches ihn keine Miete kostet, da er in seiner Freizeit dort für Ordnung sorgt. Moseley hat ein grundsätzlich auskömmliches Gehalt, das aber zur Hälfte an seine Exfrau und die beiden Töchter geht. Innerlich ist Moseley abgestumpft, da er wohl schon so ziemlich alles gesehen hat, was ein Polizist in einer gewalttätigen Stadt wie Miami, nicht zu verwechseln mit Miami-Beach (hier das Meer, dort die Everglades), sehen kann. Der Weg zum Fatalismus ist folglich nicht weit, der zum Alkohol noch kürzer.

„Miami Blues“ ist der Auftakt eines Quartetts, dem die Romane „Auch die Toten dürfen hoffen“ (auch erschienen unter dem Titel „Neue Hoffnung für die Toten“), „Seitenhieb“ und „Bis uns der Tod verbindet“ (auch erschienen unter dem Titel „Wie wir heute sterben“) folgten. Die Serie erschien Mitte der 1980er Jahre, die Romane sind aber problemlos bestellbar und vor einigen Jahren im Alexander Verlag Berlin in einer Neuausgabe erschienen. Weitere Titel von Charles Willeford erschienen übrigens – sehr passend – bei Pulp Master, so auch kürzlich eines seiner Frühwerke unter dem deutschen Titel „Filmriss“.

„Miami Blues“ ist kein klassisch angelegter Krimi (Verbrechen – Ermittlung – Aufklärung), da von vornherein klar ist, wer für was verantwortlich ist. Wer also selber den Mörder „suchen“ möchte, liegt hier falsch; wer hingegen ein herrlich „positiv-beklopptes“ Szenario sucht, könnte durchaus einen Treffer landen. Es ist und bleibt grotesk bis zum Schluss, dessen Finale die beiden Protagonisten unaufhaltsam entgegensteuern. Man mag erahnen, wie es in etwa ausgeht.

Autor: Charles Willeford

Titel: Miami Blues

Originaltitel: Miami Blues. Übersetzung von Rainer Schmidt

Verlag: Alexander Verlag Berlin

Umfang: 267 Seiten

Einband: Taschenbuch

Erschienen: 2016

ISBN: 978-3-89581-351-1

Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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