“Sando Kid spricht das letzte Halleluja” erschien 1971 in der Spätphase des Italo-Westerns. Da hatten Parodien die Erzeugnisse grimmiger Existenzialisten weitgehend aus dem Lichtspielhaus gefegt. Ausnahmen wie “Matalo!” (“Willkommen in der Hölle”) und vor allem die Mittsiebziger-Klassiker “I quattro dell’apocalisse” (“Verdammt zu leben – verdammt zu sterben”), “Mannaja” (“Mannaja – Das Beil des Todes”) sowie Enzo G. Castellaris herausragender “Keoma” (“Keoma – Das Lied des Todes”) bestätigten die Regel eher, als sie zu torpedieren. Und so bekam der leichenreiche, oftmals finstere “Su le mani, cadavere! Sei in arresto” in Deutschland ein erfundenes “Halleluja” spendiert, um ihn auf die Komödienschiene zu hieven. Was trotz bemühter Synchronversuche nicht ganz gelingt.
Der Running Gag des Films ist der gehäufte Gebrauch des Begriffs “Hühneraugen”. Nicht gar so witzig. Der italienische Titel “Su le mani cadavere, sei in arresto” (“Hände hoch, Leiche, du bist verhaftet”) weist aber ebenfalls in die komödiantische Ecke. Das hat allerdings einen inhaltlichen Bezug, denn der smarte Texas-Ranger Sando Kid erschießt seine kriminellen Kontrahenten gerne, bevor er sie verhaftet. Was einer deutlichen Wandlung bedurfte, denn er war nicht immer so ein schießwütiger Geselle.
Zu Beginn ist er nämlich ein fürsorglicher, pazifistischer Sanitäter, der sich am Ende des Sezessionskrieges um verletzte Südstaaten-Soldaten kümmert. Das gefällt dem Unions-Captain Grayton nicht, der die Südstaatler auch nach Kriegsende allzu gerne liquidiert. Mit Vorliebe, wenn sie unbewaffnet sind. Sando Kid lässt er aber gedemütigt überleben. Woraufhin der junge Spund sich daran macht, das Schießen zu erlernen. Was ihm unter anderem dank seines Freundes “Bamba”, der später als stotternder Mönch für albernen Comic Relief zuständig ist, auch gelingt. Bewaffnet und gefährlich avanciert Kid zum Texas Ranger und setzt sich alsbald auf die Fährte Graytons, der mittlerweile als raffgieriger Großgrundbesitzer Unbill über seine Mitmenschen bringt.
Als Parfümvertreter “getarnt” rückt Sando Kid seinem Widersacher auf die Pelle, beschützt Rancher, die Grayton ausbluten lässt (gern genommenes Thema: Eisenbahngesellschaft will expandieren und braucht Land). Der blonde Racheengel mit gesetzlicher Legitimation dezimiert erst die Bande des Schurken und nimmt ihn sich im Showdown höchstselbst vor. Unterstützt wird er dabei nicht nur von Bruder Bamba, sondern auch von seinem Ranger-Kollegen Captain “Dollar”, der als vorgeblicher Kopfgeldjäger breit grinsend Gegend und Handlung unsicher macht.
Der adrette Peter Lee Lawrence ist die passende Wahl für die Verkörperung eines wahrhaften Samariters, der in (viel zu) kurzer Zeit zum Revolverhelden mutiert. Ursprünglich war Klaus Kinski für die Rolle vorgesehen, ließ die Produktion aber sang- und klanglos für einen anderen Film sausen. Der früh verstorbene Peter Lee Lawrence gefällt aber wieder als unbeugsamer Rächer mit sanftem Antlitz.
Handwerklich ist der Film solide in Szene gesetzt, beim Drehbuch hätten Bergonzelli und seine vier(!) Co-Autoren mehr Sorgfalt walten lassen müssen. Was gar nicht so schwer gewesen wäre. Die Nachlässigkeiten entbehren nicht einer absurden Komik. So vereitelt Sando Kid einen Kutschenüberfall mittels vorgeblicher Leichen, die sich aber als wehrhaft erweisen. Dabei übersieht er die zweite Welle der Vigilanten, die nur ein paar Meter entfernt lauert und die Partylaune der wieder munteren Recken bleihaltig stört. Danach ist der Tod der Hilfsmannschaft nicht mehr vorgetäuscht. Nur Sando Kid hat Glück, dass sein Kollege Captain Dollar zur Stelle ist.
Dollar ist per se ein Sonnenschein. Der schwarzgekleidete, langhaarige Dandy ist eine dauergrinsende Karikatur, gemixt aus Jason King und El Topo. Je mehr Gegner er erschießt, umso wilder feixt und frohlockt er, steckt damit Sando Kid an, der sich ebenfalls frohgemut durchs Feindesheer metzelt. Dessen Gegenwehr aber alibihaft bleit.
Eigentlich ist “Sando Kid spricht das letzte Halleluja” eine düstere Angelegenheit, in der Leichen fallen wie Herbstlaub. Unbewaffnete Soldaten, lautere Rancher und ihre Angehörigen werden totgeprügelt oder anderweitig umgebracht, Grayton und seine Truppe belegen permanent, warum der Mensch der Wolf des Menschen ist. Bis Sando Kid als edler, aber gnadenloser Jäger dazwischenfunkt.
Untermalt wird das gerne von jubilierender Musik mit viel Gepfeife, Geklingel und Gebrause, während Kid und Dollar sich vor Vergnügen kaum aufrecht halten können. Für ein weiteres Maß missglückter komischer Versuche sorgen der stotternde Mönch Bamba und ein völlig sinnlos durch die Handlung tapernder, kleinwüchsiger Homosexueller, der abgeschmackte Comedy-Klischees bedienen darf. Andere Zeiten, ganz andere Zeiten. Diese tonale Schieflage verleiht dem Western freilich einen ganz eigenen Reiz. Es funktioniert zwar nicht, das aber auf höchst unterhaltsame Weise.
Einen deutschen Kinoeinsatz bei Erscheinen bekam der Film nicht spendiert. Erst 1986 zeigte RTL+ “Sando Kid” (ohne den Zusatz “spricht das letzte Halleluja”) um satte 15 Minuten gekürzt. Die schonungslosen, aber nicht besonders blutigen, Spitzen fehlten, ebenso wurde die Gesamtzahl der Leichen, die den Weg von Kid und Dollar pflastern, etwas nach unten korrigiert. Das typisch deutsche Zensurmodell: Wir wollen Krawall, trauen uns aber nicht, ihn zu zeigen. Die geschnittenen Szenen finden sich en Bloc, ebenso wie die spanische, um rund fünf Minuten gekappte Kinoversion (deutsch synchronisiert) als Boni auf der Disk.
Insgesamt ist “Sando Kid spricht das letzte Halleluja” ein Film aus dem Mittelfeld des Genres. Aber nicht, weil konsequente Durchschnittlichkeit vorherrscht, sondern handwerkliche Sorgfalt auf schludriges Unvermögen (oder Faulheit) trifft und so aus dem angedachten Mix aus Rachewestern, Sozialkritik und Detektivgeschichte eine wild schlingernde, oberflächliche Ballermannsause wird.
Fazit: “It’s alright Ma, I’m only bleeding”.
Cover © Plaion Pictures, Explosive Media
- Titel: Sando Kid spricht das letzte Halleluja
- Originaltitel: Su le mani cadavere, sei in arresto
- Produktionsland und -jahr: Italien, Spanien 1971
- Genre: Western, Italo-Western
- Erschienen: 25.05.2023
- Label: Plaion
- Spielzeit:
92 Minuten auf 1 Blu-Ray
89 Minuten auf 1 DVD - Darsteller:
Peter Lee Lawrence
Franco Agostino
Espartaco Santoni
Aldo Sambrell
Helga Liné - Regie: Sergio Bergonzelli (oft Leon Klimowsky zugeschrieben)
- Drehbuch: Enrico Zuccarini
Jesus Maria Elorietta
Enrico Zuccarini
José Luis Navarro
Sergio Bergonzelli - Kamera: Antonio Maccoppi
- Schnitt: Juan Pisón
José Antonio Rojo - Musik: Alessandro Alessandroni
- Extras: Spanische Kinofassung, gekürzte Szenen, Kinotrailer, Bildergalerie
- Technische Details (DVD)
Video: 11.85:1 (16:9)
Sprachen/Ton: D, E, IT, Dolby Digital 2.0
Untertitel: D, E, IT - Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1.85:1 (16:9)
Sprachen/Ton: D, E, IT, DTS-HD Master Audio 2.0
Untertitel: D, E, IT - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 9/15 dpt