Mac P. Lorne – Der englische Löwe (Buch)


Die letzten Jahre des Richard Plantagenet

Der englische Löwe
© Knaur

Nachdem Richard I., König von England und Herrscher über das angevinische Reich, welches sich von den Pyrenäen bis Schottland erstreckt und die Normandie sowie Teile Westfrankreichs umfasst, vom Dritten Kreuzzug zurückkehrt, wird er festgesetzt und von Kaiser Heinrich VI. über ein Jahr in Burg Trifels gefangen gehalten. Maßgeblich seiner Mutter Eleonore von Aquitanien verdankt er seine Freilassung, die das stolze Lösegeld von dreiundzwanzig Tonnen Silber erfordert. Während seiner Gefangenschaft, deren Ende und Ausgang niemand vorhersehen konnte, diente sich sein Bruder John („Johann ohne Land“) dem französischen König Philipp II. an und vermachte diesem zahlreiche Ländereien.

Mercadier, behaltet John immer im Auge, ich traue ihm nicht. Falls er mich noch einmal an Philipp verraten sollte, tötet ihn. Tut es nicht selbst, denn ich werde den Mörder meines Bruders hinrichten lassen müssen.

Kaum ist Richard frei, verbringt er nur wenige Wochen in England, lässt sich auf Anraten seiner Mutter erneut krönen, und startet im April 1194 einen Rückeroberungsfeldzug gegen Philipp II. Sein Königreich in England wird er bis zu seinem Tod fünf Jahre später nicht wiedersehen.

Vielschichtige Geschichtsstunden und ein packender Mittelalterroman

Mac P. Lorne, der sich bereits in seinem Roman „Das Herz des Löwen“ dem englischen König Richard I., genannt „Löwenherz“, aus dem Hause der Familie Plantagenet angenommen hat, legt mit „Der englische Löwe“ einen rund sechshundert Seiten starken Mittelalterroman vor, der sich den letzten fünf Lebensjahren des legendären Königs widmet. Richard ist endlich wieder frei und voller Rachegelüste. Gegenüber seinem Bruder John, der zahlreiche Ländereien an Philipp II. abgetreten hat, in der Hoffnung, selbst König von England zu werden; gegen Philipp II., seinen einstigen Freund und Waffengefährten beim Dritten Kreuzzug und jetzigen Intimfeind; gegen den römisch-deutschen Kaiser Heinrich VI, der ihn, einen Kreuzfahrer, auf Burg Trifels festsetzte und gegen Papst Coelestin III., der sich weigerte, Heinrich VI. wegen der Gefangennahme zu bannen.

„Der englische Löwe“ besteht aus einem mehrjährigem Rückeroberungsfeldzug. Unzählige Schlachten werden geschlagen, die Machtverhältnisse wogen hin und her, allein es kommt nicht zum direkten Duell zwischen Richard I. und Philipp II., da Letzterer diesem konsequent aus dem Weg geht. Mac P. Lorne erzählt über die letzten Jahre von Richard Löwenherz, die bisher literarisch kaum betrachtet wurden, gleichwohl aber alles bieten, was einen packenden historischen Roman auszeichnet; nicht zuletzt einen bildgewaltigen Einblick in das Ende des zwölften Jahrhunderts.

Richard grüßte huldvoll in alle Richtungen und zügelte gleichzeitig gekonnt sein großes Streitross, das ob des ungewohnten Lärms unruhig tänzelte. Fanfaren und Hörner kannte es, ebenso das Kampfgeschrei anrennender Feinde, das Krachen splitternder Lanzen und das Klirren von Schwertern, aber freudig erregte Bürger brachten es zu Schwitzen und machten ihm Angst.

Richard Löwenherz ist kein Feingeist, lehnt diplomatische Lösungen meist rigoros ab, ist ebenso rachsüchtig wie unbeherrscht und nur einmal erleben wir ihn als „normalen“ Menschen, nämlich in jenen kurzen Szenen, wo ihm gewahr wird, dass er bereits Großvater geworden ist und er seinen Enkel trifft. Auch dies ist ein wichtiges Thema, denn es gilt die Erbfolge für den Fall der Fälle zu regeln und dabei ist nur eines klar: Sein jüngerer Bruder John, der Verräter, darf auf keinen Fall König von England werden. Die Geschichte sah es bekanntlich anders und dies hat John vor allem seiner Mutter Eleonore von Aquitanien zu verdanken, die ebenso machtbewusst wie intrigant agiert.

Wo man auch hinsieht, nichts als Verrat.

Üble Ränkespiele beherrschen das Geschehen ebenso wie permanente Scharmützel und Schlachten. Man schenkt sich nichts, kann aber halt nicht überall sein, was die jeweiligen Kontrahenten auszunutzen wissen, zumal zahlreiche „Länderfürsten“ je nach Windrichtung schnell die Seiten wechseln. Neben der historischen Schilderung, die eine kurzweilige wie informative Geschichtsstunde bietet, hat Mac P. Lorne noch eine fiktive Handlung eingebaut, in der ein geheimnisvolles Papyrus im Mittelpunkt steht, welches Richard I. von seinem Kreuzzug mitgebracht hat. Dieses kann die christliche Kirche in ihren Grundfesten erschüttern und dürfte daher bei den Lesern ein geteiltes Echo auslösen, erklärt allerdings in sich schlüssig, warum der Papst plötzlich all seinen Wünschen nachgibt.

Kurz: Ein in vielerlei Hinsicht lesenswerter und bildgewaltiger Roman über Richard Löwenherz, einen der bekanntesten Herrscher des Mittelalters.

  • Autor: Mac P. Lorne
  • Titel: Der englische Löwe
  • Verlag: Knaur
  • Umfang: 608 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Dezember 2020
  • ISBN: 978-3-426-52276-9
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt


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