Lorenz Stassen – Tödlicher Aschermittwoch (Buch)

Neue Machtverhältnisse in der Kölner Unterwelt

Tödlicher Aschermittwoch
© Ullstein

Zwei Jahre sind seit dem ersten Maskenzug in der Kölner Stadtgeschichte vergangen. Seitdem ist der Straßenkarneval nicht mehr aufzuhalten, beim Umzug im Jahr 1825 säumen rund vierzigtausend den Wegesrand, alle Gasthäuser sind ausgebucht. In die fröhliche Stimmung will ein aktueller Mord jedoch so gar nicht passen, zumal Kommissar Gustav Zabel den toten zu erkennen glaubt, was angesichts seines völlig verbrannten Leichnams nicht einfach ist. Doch der verkohlten Leiche eines großen Mannes vor der Kirche Sankt Gregorius, auch Elendskirche genannt, fehlt die rechte Hand. Daher hat Zabel schnell den Verdacht, dass es sich bei dem Mann um Arthur Schmoor, einen stadtbekannten Verbrecher und früherer König der Unterwelt, handelt, denn Zabel selbst war es, der Schmoor vor zwei Jahren die rechte Hand bei einem Duell abschlug. Danach sollte Schmoor auf immer die Stadt verlassen. Sollte er zurückgekehrt sein? Und wenn ja, kam mit ihm seine Prostituierte Cécile Travail wieder nach Köln? Jene undurchsichtige Frau, der der Kommissar auf rätselhafte Art verfallen ist, was die ohnehin belastete Ehe mit seiner Eva nicht einfacher macht.

Die Preußen wollen die allgemeine Schulpflicht einführen. Für jedes Kind. Dann lernt jeder lesen und Schreiben. Das Gesetz soll noch dieses Jahr in Kraft treten, auch wenn nicht jeder das gut findet.“
„Was sagen die Kritiker?“
„Wenn du die Leute einmal schlaumachst, kriegst du sie nie wieder dumm. Und nicht jeder Mächtige, der etwas zu sagen hat, wünscht sich mündige Bürger in diesem Land.

Die Zeit drängt, denn bald gibt es weitere Morde zu verzeichnen, während eine seltsame Krankheitswelle ihre Opfer fordert. Zabels Ermittlungen führen in höhere Kreise und dort zu seinen Freunden vom Festordnenden Komitee, aber einmal mehr zudem in die Kölner Unterwelt, wo Victor Koll der neue, starke Mann ist.

Zweiter Fall für den kölschen Preußen

Nach „Rosenmontag“ nun also „Tödlicher Aschermittwoch“. Die Titel sind Programm, es geht um den Kölner Karneval, besser gesagt um dessen Anfänge, und damit mitten hinein in den rheinischen Frohsinn oder was viele dafür halten. Zabel hatte damit noch vor wenigen Jahren seine Probleme, denn als waschechter Preuße musste er sich an die lockeren Sitten erst gewöhnen, was schon beim ungewohnten Duzen im Kleinen Rat des Festkomitees anfängt. Inzwischen ist Zabel angekommen und verhält sich des Öfteren keineswegs so, wie man es von einem Preußen oder einem Kommissar erwarten würde. Der Widerspruch zwischen preußischer Disziplin und Strenge sowie der rheinischen – sagen wir – Gelassenheit, wird erneut als zentrales Thema beleuchtet, was vor allem am „Kölschen Klüngel“ deutlich wird. „Man kennt sich, man hilft sich“, so die vereinfachte Auffassung. Vorteilsnahme und Korruption könnte man es womöglich auch nennen, denn das spätere Einfordern von Gegenleistungen, geht nicht selten einher mit der zuvor erbrachten „freundschaftlichen Hilfe“.

Er war Mitglied im Kleinen Rat des Festordnenden Komitees. Man hat ihn aber rausgeworfen, weil er unserem Polizeipräsidenten beim Maskenball Rotwein über die Uniform gekippt hat.“
„Dafür hätte man ihm besser einen Orden verliehen.

Es gibt, wie bei Serien üblich, ein Wiedersehen mit vielen bekannten Figuren. Da wären – neben anderen – Arthur Schmoor, Cécile, die Zabel gleich doppelt in höchstmögliche Verlegenheit bringen wird, dessen Ehefrau Eva, der verhasste Polizeichef Karl Philipp von Struensee, einige Freunde aus dem Festkomitee und, nicht zu vergessen, Zabels Partner Fritz Bartmann, der von der seltsamen Krankheit ebenfalls erwischt wird. Der nicht unsympathische Bartmann führt allerdings zu dem größten Manko des Romans, denn wie schon im Vorgänger ist er der Einzige, der die kölsche Sproch spricht, was erneut gründlich schiefgeht. Es entsteht ein gruseliger Mischmasch aus Kölsch und Hochdeutsch, wobei selbst der rheinische Dialekt an sich schon nicht gelingt. Hier wäre ein konsequenter (und vor allem richtiger) Dialekt, dessen „Fremdwörter“ für Nicht-Kölner, sogenannte Immis, man ja mit Hilfe von Fußnoten hätte erklären können, klar besser gewesen. Dies ist allerdings der einzige wirkliche Kritikpunkt an dem ansonsten sehr gelungenen Roman.

Es gibt atmosphärisch gute Einblicke in die damalige Zeit sowie zahlreiche Ausführungen zur Stadtgeschichte, etwas Aberglaube und natürlich wird einem das „Kölner Naturell“ nähergebracht. Karneval und Klüngel prägen zwar ein bisschen zu sehr das Geschehen, aber sei’s drum. Ein guter Mix aus anspruchsvollem Krimi, Stadtgeschichte und rheinischem Frohsinn.

  • Autor: Lorenz Stassen
  • Titel: Tödlicher Aschermittwoch
  • Verlag: Ullstein
  • Umfang: 400 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Oktober 2023
  • ISBN: 978-3-548-06416-1
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt

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