Garry Dishers erster Polizeiroman
Temperaturen jenseits der dreißig Grad, vier Monate Sommerhitze stehen bevor. Die Touristen zieht es auf die Peninsula-Halbinsel vor Melbourne, wo der für den District zuständige Detective Inspector Hal Challis alle Hände voll zu tun hat. Es ist der 19. Dezember, wenige Tage vor Weihnachten und seit zwei Tagen wird eine junge Frau namens Jane Gideon vermisst. Sie hatte nachts eine Autopanne, rief den Pannennotdienst, danach verliert sich ihre Spur. Bereits eine Woche zuvor fand die Polizei die Leiche von Kymbly Abbott, ebenfalls eine junge Frau, die sexuell misshandelt und ermordet wurde. Sollte ein Serienmörder entlang des Old Peninsula Highway sein Unwesen treiben?
Challis und seine Kollegen halten derweil weitere Fälle auf Trab. Mehrere Einbrüche sowie eine Serie von Brandstiftungen wollen aufgeklärt werden. Mittendrin stecken die Kleinganoven Danny Holsinger und Boyd Jolic, allerdings werden sie von einer durchsetzungsstarken Anwältin vertreten und regelmäßig rausgehauen. Auch privat haben die Ermittler einigen Ärger am Hals. Challis würde am Liebsten ein altes Fugzeug, eine Dragon Rapide, der er seinen Spitznamen „Drachenmann“ hat, renovieren und wird stattdessen nicht nur durch die vorgenannten Verbrechen in Beschlag genommen, sondern zudem durch Anrufe seiner Frau Angela, die ihn einst für einen anderen Mann verlassen hat. Seitdem sitzt sie für sieben Jahre im Gefängnis wegen Beihilfe zum Mord, wobei es glücklicherweise bei einem Mordversuch blieb.
Constable John Tankard wird wegen seiner rüden Methoden als Streifenpolizist von der Öffentlichkeit ebenso hart angegangen wie sein Chef Kees van Alphen, der bald tiefer als gewollt in einen Strudel aus Sex und Drogen gerät. Ellen Destry, Chefin der Kripoabteilung, hat Schwierigkeiten mit der pubertierenden Tochter und ihrem Ehemann, der ihr die Karriere neidet. Neuzugang Pam Murphy leidet unter den zweifelhaften Methoden ihres Partners Tankard sowie den Erlebnissen ihrer letzten Polizeitätigkeit, welche zu ihrer Versetzung auf die Peninsula führten.
Es ist also alles als eine ruhige Vorweihnachtszeit, zumal der gesuchte Mörder bereits ein drittes Opfer angekündigt hat.
Auftakt der Hal-Challis-Reihe
Garry Disher, der vor Erscheinen von „Drachenmann“ mit seiner Wyatt-Reihe dem Gangsterroman zugetan war, legt hier nicht nur den Auftakt der Hal-Challis-Reihe vor, welche inzwischen sieben Romane umfasst, sondern vor allem seinen ersten Polizeiroman. „Drachenmann“ zeigt bereits eine Besonderheit des australischen Ausnahmeschriftstellers, denn wie kaum ein anderer versteht es Disher, mehrere Geschichten respektive Verbrechen parallel zu erzählen und am Ende deren Handlungsstränge auf wundersame Weise zusammenzuführen. Alles hängt irgendwie zusammen, wobei erwähnt werden muss, dass nicht alle Auflösungen überraschen. Was die Einbrüche und Brandstiftungen betrifft, ist von Beginn an klar, auf wessen Konten diese gehen, denn Danny Holsinger und Boyd Jolic sind eigene Erzählstränge über deren Taten gewidmet, gleichwohl bleibt selbst hier die Spannung erhalten.
Die sommerliche Hitze und die Landschaft der Peninsula runden das stimmige Erscheinungsbild ab, wobei noch kurz auf die Figurenbeschreibungen einzugehen ist. Gekonnt führt Disher nicht nur seinen Protagonisten Hal Challis ein, sondern räumt dessen Mitstreitern ebenfalls ansprechend viel Platz ein. Sie haben ein Privatleben mit den damit verbundenen Freuden und Sorgen, ohne dass dieses ausufert. In den weiteren Folgen der Serie wird man sie wiedersehen. Guter Auftakt einer ebensolchen Reihe, von der zuletzt „Funkloch“ (2023) erschienen ist.
- Autor: Garry Disher
- Titel: Drachenmann
- Originaltitel: The Dragon Man. Aus dem Englischen von Peter Friedrich. Mit einem Nachwort von Thomas Wörtche.
- Verlag: Unionsverlag
- Umfang: 284 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2012
- ISBN: 978-3-293-20560-4
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Wertung: 11/15 dpt